Entlang der Adria: Barletta – Bologna

Die Anreise nach Barletta für eine kleine Frühjahrsradtour ist mühsam. Weil mir weder umständliches Fliegen (Fahrrad im Karton) noch stundenlanges Autofahren Freude machen, probiere ich diesmal eine Anreise mit dem Zug. Das händische Heraussuchen einer fahrradtauglichen Verbindung und die Beschaffung der Tickets für mich und das Rad bei DB, ÖBB und Trenitalia mit Installation aller notwendigen Apps benötigt Stunden. Gut ist, daß ich ab Hannover nur in München und Bologna umsteigen muss.


Als ich um 22:30Uhr in Barletta (Apulien, unterhalb des “Stiefelsporns”) ankomme, habe ich eine 24-stündige Fahrt mit nur wenigen Minuten Schlaf hinter mir.

1. Tag: Barletta, 30km

Die Tour beginnt mit einem Ruhetag. Ich schlafe lange, probiere Rad, Ausrüstung und Strassen bei einer kurzen Fahrt nach Trani aus, schlafe, esse Pizza, buche eine Unterkunft für den nächsten Tag und freue mich aufs Radfahren.

2. Tag: Barletta – Porta del Gargano, 98km
Auf den meisten Strecken ist wenig Autoverkehr und ich rolle entspannt zwischen Feldern und Gemüse-/Obst Plantagen durch die Ebene. Auf den stärker befahrenen Strassen fühle ich mich unwohl. Hautnah erlebe ich hohe italienische Fahrkunst als ich auf einer kleinen Landstrasse gleichzeitig von zwei Autos überholt werde. Ob bei Gegenverkehr, in Kurven oder beim Überholen: Radfahrer auf der Strasse sind eine Geschicklichkeitsaufgabe und kein Grund vom Gas zu gehen. Eigentlich weiss ich das und es ist nicht nur in Italien so.

Gepriesen sei mein kleiner Rückspiegel, auch mit dem Rest des Rades bin ich sehr zufrieden.

3. Tag: Porta del Gargano – Termoli, 80km
Schon nach den ersten Kilometern merke ich, daß es heute nicht so leicht rollen wird wie gestern. Es gibt Gegenwind, einige kleinere leichte Steigungen und die Kilometer von gestern stecken noch in den Beinen. Mal wieder ist Geduld und Demut angesagt. Wenigstens habe ich in diesem Jahr schon einige Male auf dem Rad gesessen und muß nicht ganz von vorn anfangen.

Nach reichlich Pausen und einem Geburtstagsanruf muss ich die Besichtigung von Termoli sehr verkürzen um das gebuchte B&B vor Sonnenuntergang zu erreichen.

4. Tag: Termoli – Casalbordino, 41km
Demut und Geduld veranlassen mich mir für heute eine kürzere Etappe vorzunehmen. Ich experimentiere erfolglos mit der Navigationseinstellung “Vermeidung Hauptstrassen” und finde mich damit ab, daß ich längere Strecken auf der SS16 fahren werde. Zum Glück hat die SS16 auf vielen Abschnitten einen breiten Seitenstreifen, auf dem es sich relativ gut fahren läßt.

Als ich früh meine Unterkunft erreiche beginnt es zu regnen. Nur ein paar Handwerker, Fischer und wenige Unentwegten sind draussen unterwegs. Ich habe eine gute Reisezeit für die Adria gewählt.

5. Tag: Casalbordino – Scerne, 89km
Meine Befürchtung hinsichtlich des Fahrens auf der SS16 vom Vortag bestätigt sich nicht. Zuerst nur in kurzen Abschnitten und nicht miteinander verbunden gibt es zunehmend mehr Radwege. Wieder besonders angenehm zu fahren ist ein auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse angelegter Radweg.

Parallel zur zunehmenden Ferieninfrastruktur entlang der Strände wird der Radweg schließlich durchgängig und bunt: mal blau, mal grün, mal rot und manchmal schwarz. Billiger Spott drängt sich auf.
Mir bleiben die Riviera oder ähnliche Orte als Ferienziel fremd aber jetzt erfüllt sie den Zweck: im März bei moderaten Temperaturen ein paar flache Kilometer auf dem Rad sammeln und Pizza essen.

6. Tag: Scerne – Pedaso, 60km
Ein sehr entspannter angenehmer halber Tag auf dem Rad.

Es gibt auch gelbe Radwege und die ersten Muskelgruppen geben ihren Widerstand gegen das Radfahren auf.

7. Tag: Pedaso – Ancona, 74km, 650Hm
50km bis zum Ort Numana rolle ich wieder entspannt auf bunten Radwegen an Stränden entlang. Nur dort, wo ein Radweg oder eine Brücke noch im Bau sind, geht es kurz auf die SS16. Etliche Radsportgruppen sind hier unterwegs.

Ich komme an einem Radladen mit Werkstatt vorbei, betrieben von einem ehemaligen Radprofi. Er ist zertifizierter Händler für Colnago und Giant (und Castelli), hat keine Berührungsängste zu Alltagsfahrrädern und in seiner Werkstatt hängen interessante Rahmen und Rennräder (u.a. ein babyblaues Colnago/Ultegra Carbon Rad in meiner Größe). Die Ausstattung, die Atmosphäre und der Petroleum Geruch begeistern mich und machen mich wehmütig.

Auf den letzten 24km von Numana bis Arcona werden 600 Höhenmeter fällig. Die Strassen sind so schlecht und die kurzen Steigungen so gemein, daß der Abschnitt als Mountainbike Strecke gewertet werden muss. Der Ausblick auf die Landschaft ist schön, aber ich muss ihn mir schwer erarbeiten.

8. Tag: Ancona – Pesaro, 67km
Die ersten 15km aus Ancona heraus fahre ich auf der Hauptstrasse weil es offenbar keine Alternativen gibt. Schließlich beginnen die Strände und die bunten Radwege wieder und das Fahren ist trotz Gegenwind wieder angenehm.

9. Tag: Pesaro – Cesenatico, 64km
Viele Radsportler sind auf der SS16 in Richtung Rimini unterwegs. Manche von Ihnen fahren mit beindruckend hoher Geschwindigkeit einen 130m Anstieg kurz hinter Pesaro hoch und wieder runter. Vor Rimini fahre ich ein paar Kilometer in einer Gruppe älterer Herren, lasse sie dann aber in der Stadt an einer roten Ampel davonfahren. Immerhin, im letzten Frühjahr musste ich eine vergleichbare Gruppe mangels Kondition fahren lassen, in diesem Jahr ist es wegen Ängstlichkeit.

Trotzdem muss ich feststellen, daß ich wieder der Langsamste bin: auf der SS16 fahren die gut trainierten Radsportler auf Carbon an mir vorbei und auf den schlechteren Nebenstrecken überholen mich die E-Mountainbikes. Irgendwann werde ich mich daran gewöhnen.

Ich lerne, daß Cesenatico der Geburtsort von Marco Pantani ist und daß in diesem Jahr die 2. Etappe der Tour de France von Cesenatico nach Bologna führen wird. Jedenfalls werde ich mir morgen eine beschaulichere und kürzere Strecke mit weniger Höhenmetern nach Bologna raussuchen.

10. Tag: Cesenatico – Lugo, 60km
Ich fahre entspannt bei Sonnenschein und leichtem Gegenwind durch die Emilia-Romagna, viele Radsportler sind unterwegs und mir wird langweilig. Die letzten Tage trödel ich herum um nicht zu früh bei der Unterkunft anzukommen. Morgen sollte ich Bologna erreichen, mein Zug fährt aber erst in vier Tagen. Für große Umwege oder anspruchsvolles Sightseeing fehlt mir allerdings Lust und Laune. Was tun?

11. Tag: Lugo – Bologna, 64km
Einen grossen Teil der Strecke fahre ich auf schönen kleinen Wirtschaftswegen und kann Landstrassen mit LKW-Verkehr vermeiden. Gegen Mittag erreiche ich den Stadtbereich von Bologna, manövriere vorsichtig durch den Verkehr und sehe mich zu Fuss ein wenig in der Stadt um.
728km nach Barletta ist das Ziel erreicht, ich hatte bei meiner Planung mit 100km mehr gerechnet.

Wahrscheinlich habe ich mal wieder, wie es meine Art ist, ein paar Abkürzungen zuviel genommen. Trotzdem: ein Anfang ist gemacht.

12.&13. Tag: Bologna – Bozen / Bozen – Brixen, 42km, 350Hm
Gestern bin ich unkompliziert und günstig von Bologna mit einem Regionalzug bis Bozen gefahren und habe mir die hübsche Stadt angesehen.

Weil der Wetterbericht für heute Regen vorhergesagt hat, sitze ich schon früh auf dem Rad um vor dem angekündigten Regen in Brixen zu sein. Schon um 10:30 Uhr ist das Tagwerk vollbracht. Der Radweg von Bozen nach Brixen ist komfortabel, die Steigung erträglich und die paar Regentropfen stören nicht wirklich. Der EV7-Radweg, an dem noch an einigen Stellen gebaut wird, ist sehr zu empfehlen.

In einem der seltenen kleinen Radläden erstehe ich Radhandschuhe (die mit dem gehäkelten Rücken) und einen Schlauchreifen für mein GIOS als Erinnerungstücke an diese Italien Tour.