Lutherenergieversorger

Die Fahrt von Quedlinburg bis Aschersleben ist angenehm und verläuft auf guten und sehr geraden Feldwegen durch sehr grosse Felder.

Nach der Mittagspause in Aschersleben bin ich dann aber gezwungen längere Strecken auf schlecht ausgebauten dicht befahrenen Landes- und Bundesstrassen zu fahren. Schwere LKW überholen mich trotz Gegenverkehr und mit deutlich weniger als 1,5m Abstand (von den neuerdings vorgeschriebenen 2m ganz zu schweigen). “Corona ist vorbei – es darf wieder eng überholt werden”. Trotz Helm, Warnweste, Licht und dauerndem Blick in den Rückspiegel kann ich mich nicht an dieses Fahren gewöhnen.

Gut ist, daß ich durch die Konzentration auf die Strasse die Abraumhalden und die landwirtschaftliche Monokultur des Mansfelder Landes weniger wahrnehme. So eingestimmt fahre ich in die berühmte “Lutherstadt Eisleben”. Der hier gepflegte Kult um den Namen “Luther” ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Wieviel individuelle und gesellschaftliche Kontrollinstanzen mußten ausfallen und wieviel Welten musste es geben damit in dieser Welt der Begriff “Ihr Lutherenergieversorger” plakatiert werden konnte?
Ich stelle mir dynamische energiegeladene Lutheraner vor, wie sie im Talar die Erdkabel verlegen.

Vermeidungsstrategie

Mit neuem Wissen über die “Region” (Am Vorabend hatten wir noch eine lange Diskussion über “regionale Identifikation” am Beispiel von Salzgitter/Wolfsburg im Vergleich zu Ostfriesland/Franken) fahre ich erwartungsvoll nach Osterwiek.
Im Winter war mir bei einer Wanderung von Hornburg nach Osterwiek entlang der Ilse aufgefallen, daß beide Orte 400 Jahre alte und praktisch touristenfreie bewohnte Freilichtmuseen sind.
Hinter Osterwieck verlasse ich die Region WOBDienstwagenland. Im Gegensatz zu Osterwieck ist mein Tagesziel Quedlinburg touristisch voll erschlossen. Auf dem Weg dorthin fahre ich einen Umweg um nicht versehentlich durch Halberstadt fahren zu müssen. Ähnlich wie am Vortag, als ich nur mit einer ungeschickten kurzfristigen Planänderung vermeiden konnte durch Braunschweig zu fahren, freue ich mich das Wahrzeichen von Halberstadt (den Dom) aus der Entfernung zu sehe.
Zufällig fahre ich auf einem der tausend Jakobswege, sinniere über den Grund für die Wegekennzeichnungsinflation und geniesse die Fahrt durch das hügelige Harzvorland.

Radfahren in Corona Zeiten

Für dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen die Donau vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer kennenzulernen. Der Plan war gewesen, zuerst die Strecke Gifhorn -> Obere Donau mit dem Rad zu fahren und mich dann Ende Juni in Ingolstadt mit dem Ruderboot Novecento der TID (Tour International Danubia) anzuschliessen.
Die TID wurde wegen des Risikos von Corona Infektionen abgesagt. An Radtouren war bis jetzt wegen unsicherer Übernachtungsmöglichkeiten nicht zu denken.

Mit leichtem Gepäck, Zelt, warmem Schlafsack und kleiner Küche ohne Kocher mache ich mich heute auf den Weg in Richtung Regensburg (Donau). Weil ich östlich am Harz vorbei nach Thüringen fahren möchte, ist mein erstes Ziel der kleine verwunschene Fachwerkort Hornburg im Harzvorland.
Die Betreiber von “Reinhards Pension” – Monica und Thomas Dahms – haben ausser einer guten Übernachtungsmöglichkeit sehr viel zu Kultur und Geschichte der Region anzubieten. Bevor ich müde von nur 70km Radfahren mein Zimmer beziehe, bekomme ich von Thomas Dahms (Historiker, Verleger und Textautor diverser Geschichts Comics) im Innenhof einen einstündigen Crashkurs zur Geschichte der Welfen und Ottonen, der geschichtlichen Bedeutung Gifhorns (neben Celle und Halberstadt), der frühzeitlichen Geschichte des unteren Donauraums und überhaupt der gesamten europäischen Geschichte der letzten 5000 Jahre.
Damit habe ich nicht gerechnet: Bei Einhaltung der geltenden Hygieneregeln erlebe ich statt befürchteter Corona-Distanz Freundlichkeit und ein interessantes Gespräch.
Ich freue mich wieder unterwegs zu sein!

Zwischenstand Southern Cross

Nach der ursprünglichen Planung sollte “Southern Cross” schon im letzten Jahr im August 2019 vom Bootsbauer in Schönebeck zurück kommen. Die notwendigen Holzarbeiten waren dann doch umfangreicher und der vorläufige Terminplan wurde hinfällig. Der Ballasttank wird neu aufgebaut, das Deck zu grossen Teilen neu hergestellt, das Dollbord repariert und verstärkt, vergammelte Stringer in der Bilge werden ersetzt und Löcher/Durchbrüche geschlossen. Im Unterschied zum Orginalzustand bekommt das Boot zwischen den Rollschienen zwei grosse Lukenöffnungen über dem Ballasttank und Aufnahmen für eine Hilfsruderachse und einen Autopiloten. Im Oktober 2019 werden kleinere Schäden im Laminat der Aussenhaut ausgebessert.

Nach der Winterpause geht es mit einer Epoxy Grundierung, der Reparatur eines spät entdeckten Schadens im Unterwasserbereich (Ablösung des Laminats vom Holz) und der Lackierung weiter. Am 13. März 2020 – nach einem Jahr – hole ich schließlich das fertig lackierte Boot aus Schönebeck zurück nach Gifhorn und beginne noch am gleichen Tag mit dem Einbau der ersten Luke. In den kommenden Wochen mit “reduzierten sozialen Kontakten” werden die Luken, die Stemmbretter, die Rollsitze und Rollschienen fertiggestellt und eingebaut. In der Bugkabine werden hinter den Schraubluken zwei 200mm PVC-Schläuche verbaut, in denen später ein Teil der Schäfte der Skulls untergebracht werden kann um die (Ersatz)-Skulls innerhalb des Bootes auf dem Deck befestigen zu können. Relativ unangenehm ist das Schleifen, Spachteln, Primern und Lackieren der hinteren Kabine. Obwohl keine “Class-A” (und sicher auch nicht “Class-B”) Qualität erreicht wird, wird die enge Kabine ein wenig wohnlicher. Die Elektrik wird in einer Schaltbox auf der Steuerbordseite der Kabine konzentriert. Die Instrumente / Schalter / Multiplexer sind positioniert. Im fliegenden Aufbau haben bereits alle Geräte (AIS (GPS), VHF, Plotter, Kompass, Logger, Autopilot und WLAN) sinnvoll miteinander Daten ausgetauscht. Jetzt hoffe ich, daß ich die Verschaltung in der Enge der Schalttafel wieder hinbekommen werde.
Für die Ansteuerung des Ruders fehlen noch ein paar Teile (u.a. der Quadrant), für Positionslicht und Radarreflektor fehlt noch ein kleiner Mast auf der vorderen Kabine und für die Stromversorgung (Solarzellen, Regler, Batterien) gibt es erst einzelne Komponenten.
Eine erste Probefahrt in diesem Jahr sollte trotzdem möglich sein.

Kurzwanderfahrt auf der Mittelaller

Schön ist der Bach, der plätschernd durchs Gewimmel
Der Blümchen, das ihm Reize leyht,
Die Wellchen rollt, wenn ihn der Abendhimmel
Mit Purpur überstreut.

aus: Ludwig Hölty, “Das Landleben”

“Ludwig Hölty” heißt das Boot, das uns der Ruderclub Ernestinum-Hölty in Celle für eine kurze Wanderfahrt zur Verfügung stellt. Der Bach ist die langsam fließende Mittelaller. Die Blümchen am Ufer heißen Pfeilkraut, Goldrute, Rossminze, Schilf/Röhricht, Schwanenblume, Feinstrahl, Mittlerer Wegerich, Brombeere, Königskerze, Zaunwinde, Baldrian.

Wir rudern ab Celle stromauf, tragen das Boot zweimal um, bekommen nasse Füsse, machen Mittagspause im Allerparadies, wenden über Steuerbord, rudern stromab, tragen das Boot zweimal um, bekommen nasse Füsse und legen nach 37 Kilometern wieder in Celle an.

Ein schöner Tag auf der Aller und Dank der Ruderkollegen in Celle eine einfach zu organisierende Alternative zu einer Kurzwanderfahrt auf dem Mittellandkanal.