Abflugzeit des Fluges von Schönefeld mit Ryanair ist 10:30. D.h. Warten in unschöner Umgebung und Gedanken über Effizienz und meine offensichtliche Bereitschaft mich im Interesse anderer Ziele schlecht behandeln zu lassen. Oder um es anders auszudrücken: „Wer mit Ryanair fliegt, verliert für diesen Tag die Kontrolle über sein Leben.“
Nach (verspäteter) Landung in Sevilla baue ich mein Rad zusammen. Das Rad hat ein paar Lackkratzer mehr, der leere Fahrradkarton gesellt sich zu weiteren leeren Fahrradkartons im Ankunftsbereich und ich suche per Navi einen Weg in die Stadt. Ich habe die Wahl zwischen Autobahn und unbefestigtem schlammigem Feldweg durch die Äcker und entscheide mich für den Feldweg.

In der Innenstadt angekommen verfahre ich mich in den kleinen Strassen auf der Suche nach der Pension. Gut so – umso mehr freue ich mich, als ich sie endlich gefunden habe.
Radfahren im Süden
Die letzten beiden Jahre habe ich Radreisen in den Norden (Nordkap,
Schottland) unternommen. Abwechslung ist nötig und ich will in diesem Jahr von Andalusien über Portugal und Frankreich zurück nach Gifhorn fahren.
Wieder beginne ich die Reise im Frühjahr im Süden (Sevilla) und plane sie im Sommer im Norden (Gifhorn) zu beenden. Bei deutlich wärmeren erwarteten Temperaturen reduziere ich die Ausrüstung (u.a. Sommerschlafsack, Leichtzelt, Regenjacke und Regenhose, leichtere Radschuhe), kann dadurch auf die vorderen Packtaschen verzichten und das Gewicht von Fahrrad & Ausrüstung reduzieren.
Das Rad hat im Winter den kleinen Service bekommen: Putzen, Ölwechsel der Nabenschaltung, neue Kette, neue Bremsgummis. Mehr scheint nicht nötig zu sein.
Ich hatte unterschiedliche Möglichkeiten der Anreise (Frachtschiff, Bahn, Bus) durchgespielt und mich schliesslich widerwillig für einen Flug Berlin-Sevilla entschieden. Der Transport des Rads als Sperrgepäck im Karton gefällt mir nicht und ich hoffe, dass es diese Tortur übersteht.

Heute bringt mich Siegrid dankenswerter Weise nach Berlin.
„Southern Cross“ macht Fortschritte
Das Boot „Southern Cross“ hatte ich vor knapp einem Jahr übernommen. Im letzten Sommer war ich ein paar Proberunden mit dem Boot auf dem Tankumsee gefahren, hatte es im Emder Schiffsregister eintragen lassen, ein Deutsches Rufzeichen und eine MMSI erhalten und erste Pläne für Reparaturen/Umbauten gemacht.
Im Januar kam das Boot in eine provisorische Werkstatt unter den Carport. Es wurden Beschläge, Luken und Elektrik demontiert und der Rumpf weitgehend vom Lack befreit. (Die Vorgänger hatten viel Freude an häufiger farblicher Neugestaltung)
Heute wurde das Boot für Holzarbeiten und Lackierung zum Bootsbauer nach Schönebeck/Elbe gebracht. Im August werde ich mit dem Wiederaufbau beginnen. Bis dahin sind Schaltpanel (Funk, AIS, Plotter, Logger, Kompass…), die Rollsitze und (eventuell) das Stemmbrett vorzubereiten.
Ob „Southern Cross“ in diesem Jahr nach langer Zeit wieder in Salzwasser fahren wird?
Vorläufiger Abschluß
Die Übernachtung in Hitzacker mit allem Komfort tut gut. Beim ausgiebigen Frühstück unterhalte ich mich mit einem Radfahrer, der auf dem Elbe-Radweg in Richtung Hamburg unterwegs ist.
Selber mit dem Ruderboot statt mit dem Rad unterwegs, ist mein Abstand zu dem Elbe-Radweg Fahrer hinreichend gross, dass er mir als gedanklicher Spiegel dienen kann. Warum nur nimmt dieser Herr die Mühen des Radfahrens gegen den Wind auf sich?

Das Wetter ist freundlicher als am Vortag, die Strecke bis Lauenburg kürzer. Ich probiere verschiedene Strategien um die optimale Linie auf dem breiter werdenden Fluss zu finden. (z.B. – 1. Gleichmässig Ziehen und bei Drehung auf der jeweils entgegengesetzte Seite überziehen in Anlehung an das Zentrieren von Thermik – 2. Konstanten Kompasskurs fahren und Differenz zum Kurs über Grund beobachten – 3. Weite Schlangenlinien rudern und GPS-Geschwindigkeit in der Phase des Vorrollens beobachten.) Weiter entwickel ich ein alltagsphysikalisches Modell des Strömungsprofils der Elbe. Das Modell hat eine hinreichend gute Prognosefähigkeit und ich nenne es daher mein „Standardmodell der Elbströmung“. Die Feststellung der „hinreichenden Prognosefähigkeit“ führt mich wiederum zu der Frage nach der Sinnhaftigkeit von Modellen, die nicht mehr „Prognosefähigkeit“ sondern „Welterklärung“ beanspruchen.

Weil ich im Moment keine Lust mehr habe den Elbe-Seitenkanal zurück nach Braunschweig zu rudern und zuhause besser einige Dinge erledigt werden sollten, beende ich zunächst die Tour nach 352 Kilometern. Das Boot stelle ich für ein paar Tage bei der RG-Lauenburg unter. In ein paar Tagen werde ich wissen, ob bzw. in welcher Richtung ich die Tour fortsetzen werde. Eine Woche später fahre ich wieder nach Lauenburg, lade das Boot aufs Auto und bringe es auf zurück nach Gifhorn. Die Strecke Lauenburg-Cuxhaven werde ich ein anderes Mal rudern.