Portugal

Die ersten 30km sind dank Rückenwind und guter Strasse schnell geschafft. Wären nicht die unvermeidlichen Zipperlein der ersten Tage, wäre es reiner Genuss.
Bei Huelva geht es vorbei an Raffinerien, der Flotte des Christoph Kolumbus, Hafenanlagen und über eine sehr radunfreundliche Brücke. Obwohl erkennbar an vielen Stellen eine Radinfrastruktur aufgebaut wird, gibt es doch auch ärgerliche und gefährliche Lücken (siehe Sevilla Flughafen-Zentrum).

Hinter Huelva entscheide ich mich für eine Abkürzung und lande auf unbefestigten sandigen Wegen im Wald. Die Strecke ist wunderschön und würde Mountainbike Fahrern viel Spass machen. Mit dem schweren Rad ist es etwas weniger Spass.

Heutige Reisebekanntschaften: 3
1. Ein Triathlet im Neoprenanzug vor Carbonrennrad, der mich über
Mountainbike-Rennen und Nordwinde an der portugiesischen Westküste informiert (ab 12Uhr…).
2. Ein etwa 58-jähriger langhaariger Holländer auf Reiserad, der gerade von Teneriffa kommt, der Prinzipien hat (no bottled water), dessen Schwalbe Reifen schon 12000km ohne Platten halten (meine Continental Reifen haben bis jetzt nur 6500km ohne Platten aber anerkanntermassen das bessere Profil), der seine XTR Schaltungskette mit Kardanwellenfett schmiert und im Moment ausschliesslich auf dem Rad lebt.
3. Ein Berliner mit Hund, Exfrau, Exfreundin und Freundin, dem neben weiteren Schicksalsschlägen seine Kontaktlinsen bei einer Schlägerei zerstört wurden und von dem ich Botschaften über die Beschaffenheit der Welt erhalte, die deutlich ausserhalb meiner Filterblase liegen.

Erstaunlich, dass ich heute bei soviel Gequatsche bis Vila Real in Portugal komme.

Erstmal zum Atlantik

Nach einer überraschend kühlen Nacht packe ich am Morgen meine Taschen in “Reisekonfiguration”. Während der letzten Radreisen habe ich mir eine gewisse Routine und feste Plätze für alle Dinge angewöhnt und ich finde mich schnell wieder in die Routine ein.
Trotz strahlend blauem Himmel ist die Luft am Vormittag noch kalt. Ich fahre in “lang”, stelle auf den ersten Kilometern noch etwas am Sattel nach und bekomme in einem kleinen Vorort von Sevilla ein kleines Frühstück.
Die Strassenverhältnisse und die Fahrweise der Autofahrer ist besser als befürchtet. Auch auf Abschnitten entlang der Hauptverkehrsstrassen fühle ich mich nicht unsicher. Die Seitenstreifen sind breit und meistens in akzeptablem Zustand. Dazu kommt, dass der Rückspiegel (links) jetzt wieder auf der “richtigen” Seite ist und ich – anders als in UK – die von hinten kommenden Fahrzeuge rechtzeitig sehen kann. Nach der Mittagspause in Pilas wechsel ich auf “kurz + Sonnencreme”. Die Fahrt durch den Donana Nationalpark nach El Rocio mit leichtem Rückenwind auf einer wenig befahrenen Strasse ist richtig schön. Unmittelbar nach dem Park beginnen riesige Erdbeerplantagen in Folien-Gewächshäusern. Der Erdbeergeruch ist so intensiv, dass ich ihn sogar beim Radfahren erlebe.

In Matalascanas erreiche ich am frühen Nachmittag den Atlantik, mein erstes Etappenziel. Hintern, Hände und Rücken wollen sich nur langsam wieder ans Radfahren gewöhnen und daher suche ich mir dort eine Übernachtung.

Matalascanas ist ein reiner Touristenort. Auf dem Weg zu dem kleinen Hotel sehe ich viele offensichtlich leerstehende Ferienhäuser, grosse leere Parkplätze und kaum Menschen. So kann es gerne weitergehen!

Ankunft in Sevilla

Abflugzeit des Fluges von Schönefeld mit Ryanair ist 10:30. D.h. Warten in unschöner Umgebung und Gedanken über Effizienz und meine offensichtliche Bereitschaft mich im Interesse anderer Ziele schlecht behandeln zu lassen. Oder um es anders auszudrücken: “Wer mit Ryanair fliegt, verliert für diesen Tag die Kontrolle über sein Leben.”
Nach (verspäteter) Landung in Sevilla baue ich mein Rad zusammen. Das Rad hat ein paar Lackkratzer mehr, der leere Fahrradkarton gesellt sich zu weiteren leeren Fahrradkartons im Ankunftsbereich und ich suche per Navi einen Weg in die Stadt. Ich habe die Wahl zwischen Autobahn und unbefestigtem schlammigem Feldweg durch die Äcker und entscheide mich für den Feldweg.

In der Innenstadt angekommen verfahre ich mich in den kleinen Strassen auf der Suche nach der Pension. Gut so – umso mehr freue ich mich, als ich sie endlich gefunden habe.

Radfahren im Süden

Die letzten beiden Jahre habe ich Radreisen in den Norden (Nordkap,
Schottland) unternommen. Abwechslung ist nötig und ich will in diesem Jahr von Andalusien über Portugal und Frankreich zurück nach Gifhorn fahren.
Wieder beginne ich die Reise im Frühjahr im Süden (Sevilla) und plane sie im Sommer im Norden (Gifhorn) zu beenden. Bei deutlich wärmeren erwarteten Temperaturen reduziere ich die Ausrüstung (u.a. Sommerschlafsack, Leichtzelt, Regenjacke und Regenhose, leichtere Radschuhe), kann dadurch auf die vorderen Packtaschen verzichten und das Gewicht von Fahrrad & Ausrüstung reduzieren.
Das Rad hat im Winter den kleinen Service bekommen: Putzen, Ölwechsel der Nabenschaltung, neue Kette, neue Bremsgummis. Mehr scheint nicht nötig zu sein.
Ich hatte unterschiedliche Möglichkeiten der Anreise (Frachtschiff, Bahn, Bus) durchgespielt und mich schliesslich widerwillig für einen Flug Berlin-Sevilla entschieden. Der Transport des Rads als Sperrgepäck im Karton gefällt mir nicht und ich hoffe, dass es diese Tortur übersteht.

Heute bringt mich Siegrid dankenswerter Weise nach Berlin.