Schlussetappe

Ich erinnere mich, wie ich bei ähnlichem Wetter – strahlend blauer Himmel – bei meiner ersten Radtour in Richtung Süden durch das flache Rheintal “geflogen” bin. Fast so leicht läuft es heute von Offenburg zum Rhein, nur habe ich diesmal den Wind von vorn.

In Karlsruhe beende ich die Tour und werde mit dem Zug nach Gifhorn zurückfahren.

Meine Bilanz:

1. Ich hatte behauptet, daß sich gefühlt für mich das Radfahren in Bayern nur in unwesentlichen Details von dem Radfahren vor über 40 Jahren unterscheidet. Diese Behauptung ist richtig aber unvollständig. Vor 40 Jahren war fast alles neu was ich unterwegs erlebte. Auf dieser Tour gab es keinen Tag, an dem ich nicht irgendeine Geschichte oder Person zu der durchfahrenen Gegend assoziiert habe. “Hier kommt xy her, hier war ich 19xx” Dieses Gefühl – Langeweile – ist mit ein Grund die Tour jetzt zu beenden.

2. Die Frage nach “Regionaler Identifikation” war am ersten Tag der Tour gestellt worden. Meine Schlußfolgerung ist, daß die Formulierung Unsinn ist. Weder hatte “Regional” noch “Identifikation” eine klare Bedeutung.

3. Die Punkte 1. und 2. hängen zusammen: Unsere Bekanntschaft mit der Welt – ob nach Landschaften, Berufen, Verwaltungsstrukturen, Sprachen, Sportarten etc. sortiert – bestimmt nicht nur wie wir die Welt, sondern auch wie wir uns selbst wahrnehmen. So einfach ist das Prinzip und so komplex und veränderlich nehmen wir uns wahr.

4. Gut, daß es die harmlosen bizarren Erscheinungen am äußeren Rand des menschlichen Vorstellungsvermögens gibt wie “Lutherenergieversorger”, “Einstein-Sanierungsfirmen”, “Vier Schornsteine als Adventskerzen”, “Fahrradzählautomaten”, “Helmkameras” usw. Sie sind irgendwie lustig.

5. Pläne
– “Monuments Men” mit George Clooney wegen der Filmszenen in Osterwieck ansehen
– Strausswirtschaft an der Unstrut besuchen
– Etwas von Jean Paul lesen
– Die Donau bis zum Schwarzen Meer rudern
– Das Tal der Oberen Donau mit Frau/Kindern/Freunden bei freundlichem Wetter nochmal befahren

Schwarzwald

Bis wenige Kilometer vor der Quelle fahre ich im Tal der Brigach, dann folge ich weiter der Trasse der Schwarzwaldbahn bis diese kurz vor der Donau-Rhein Wasserscheide im Tunnel verschwindet. Bis hierher ist es das inzwischen gewohnte Tagesgeschäft des Radfahrens, dann kommt die Belohnung: Zuerst fahre ich etwa 10km zwischen Rhein- und Donauseite wechselnd auf 800m – 900m Höhe und geniesse zu beiden Seiten die tollen Ausblicke über die Berge und die fast unwirkliche Idylle der Wiesen- und Waldlandschaft. Kein einziges E-Mountainbike stört. Im Anschluss vernichte ich bis Hornberg genussvoll und vorsichtig 500 Höhenmeter auf kleinen Nebenstrassen.
Die verbleibende Strecke im Kinzigtal herunter bis Offenburg ist wieder gewöhnliche Kost und dient hoffentlich der Verbesserung meiner Ausdauer.

Obere Donau

Bei endlich wieder trockenem Wetter geniesse ich heute das enge Tal der Oberen Donau (Durchbruch der Donau durch die Schwäbische Alb). Die Landschaft und die Orte hier sehen aus wie meine Modelleisenbahn ausgesehen hat. Die Produktentwickler der Firmen “Faller” und “Fleischmann” haben sich wahrscheinlich hier ihre Vorbilder gesucht.Auf dem Weg nach Donaueschingen kann ich mit eigenen Augen sehen was in den Reiseführern steht: die Donau verschwindet für einige Kilometer irgendwo im Untergrund und hinterläßt nur ein ausgetrocknetes Flussbett. Schon stromab dieser Stelle führte die Donau nur wenig Wasser und eine Befahrung schien mir dort selbst mit einem Kajak schwierig. Die Donau unterhalb von Ulm oder Ingolstadt ist lang genug, da muss man sich nicht mit diesem Wiesenbächlein abgeben.Mit Donaueschingen erreiche ich mein vorläufiges Ziel der Radtour. Der Vollständigkeit halber besichtige ich die Donauquelle, die nicht die Donauquelle ist, und den Zusammenfluß von Brigach und Breg.Wie die Tour weitergeht werde ich situativ nach Wetter und Laune entscheiden. Erstmal habe ich jetzt eine Route “Donaueschingen – Offenburg” auf mein Navi geladen. Auch wenn ich bis zur Donau-Rhein Wasserscheide noch ein paar Höhenmeter klettern muß: die Abfahrt ins Rheintal möchte ich mir nicht entgehen lassen.

Wenig Überraschungen

Gestern bin ich von Ingolstadt über Neuburg und Donauwörth bis Gundelfingen gefahren, heute fahre ich von Gundelfingen über Ulm bis Ehingen. Mal ist es trocken, mal gibt es für ein paar Stunden kräftigen Landregen.Es gibt wenig Steigungen, manche Wege direkt an der Donau sind schön, viele kleine Wege führen durch Felder und nur selten bin ich unangenehmem Strassenverkehr ausgesetzt. Die Dörfer, die Gärten und die Häuser sind gepflegt und die Autos sind groß. So ist das in Schwaben, die Perfektion bietet keine Überraschungen. Dann werde ich in Ulm überrrascht:In Sachen Lächerlichkeit steht in Ulm der Kult um Einstein dem Kult um Luther in Eisleben nicht nach.

Ich denke an die Diskussion am ersten Tag über “Regionale Identifikation”. Tragen zusammenhanglose Namenskulte tatsächlich zu regionaler Identifikation bei? Wird es übermorgen in Meßkirch Heidegger-Würstchen geben? In Braunschweig könnte im Rahmen dieser ganz besonders subtilen Marketingstrategie das beliebte Gericht “Currywurst-Pommes” als “Gauß-Schmaus” beworben werden.