Nordland

Trotz anders lautender Wetterprognose gibt es den ganzen Tag immer wieder kurze Schauer. Die Strecke ist so bergig wie angekündigt (> 2000 Höhenmeter) aber der Ruhetag zeigt Wirkung, ich komme gut voran und geniesse besonders die flachen letzten Kilometer in Küstennähe.

Heute treffe ich mehr Radreisende. Sehr besonders sind zwei wirklich ältere Damen aus den Niederlanden, die mit Elektrorädern unterwegs sind. Sie fahren jeden Tag ca. 50km, eine der beiden („I am not so strong“) nutzt für die Strecken im Zweifel zwei Batteriepacks. Ich treffe die beiden bei dem ersten Lebensmittelladen und fahre vor ihnen weiter. Nach ca. einer Stunde überholen mich die beiden an einer langen Steigung. Erst beim nächsten Lebensmittelladen fahre ich wieder an ihnen vorbei.

Das „Nordland“ ist jetzt erreicht. Am Abend wander ich über die Felsen an der Küste, genieße und freue mich hierher gefahren zu sein.

Zwischenbilanz

Die Wettervorhersage war richtig – es regnet ununterbrochen. In der Hütte ist es gemütlich trocken und warm. Das Fahrrad bekommt eine kleine Durchsicht und neue Bremsgummis für die hintere Bremse. Dem Navi war gestern die Regenfahrt nicht bekommen und der Touchscreen bekam durch eingedrungene Feuchtigkeit falsche Signale. Das Problem läßt sich mit Öffnen und Trocknen beheben. Die Wäsche wird gewaschen, die Karten werden präpariert und studiert. Aus dem Fenster sehe ich mir den Regen an.

Seit 17 Tagen bin ich unterwegs, bin an 15 Tagen in 114 Stunden (incl. Pausen) insgesamt 1480km gefahren (ohne Fähren). Habe laut Navi auf dieser Strecke 18500m Höhe gewonnen (und wieder verloren). Übernachtet habe ich fünf mal im Zelt,  fünf mal in einer Jugendherberge / Pension / Hotel und sieben mal in einer Hütte. Fünf mal habe ich ein Schiff genutzt.

Mit der Ausrüstung / Ausstattung bin ich zufrieden. Die Rohloff-Nabe an meinem Rad ist ein Wunder der Technik –  nur für das hintere Ritzel wünsche ich mir einen Zahn mehr. Meiner vorderen Bremse  (HS 33) vertraue ich nicht – sie fühlt sich merkwürdig weich an. Die Funktionskleidung funktioniert natürlich nicht wie behauptet, ist aber trotzdem eine deutliche Verbesserung. Nur den e-Book Reader und die warmen, langen Winterhandschuhe habe ich bisher nicht genutzt.

 

Kystriksveien

Seit zwei Tagen überlege ich einen Ruhetag einzulegen. Ideal wäre ein Regentag und ein Campingplatz mit guter Wasch- und Einkaufsmöglichkeit. Heute habe ich Glück: seit Mittag regnet es ununterbrochen und am Abend bekomme ich eine relativ komfortable Hütte mit allem was ich brauche. Die Wetterprognosen sagen für morgen weiter stärkeren Regen voraus.

Wieder verändert sich das Landschaftsbild. Vormittags fahre ich durch grüne Bergtäler und Wälder und am Abend durch karge Felslandschaften umgeben von Seen und Meer. Ich fahre jetzt auf der Küstenstrasse (Kystriksveien), der ich zunächst bis Bodø folgen möchte.

Die meiste Zeit kurbel ich mich in kleinen Gängen die Steigungen hinauf. Wenn es dann mal etwas schneller bergab gehen könnte werde ich daran erinnert, daß bei den nassen Strassen und dem schweren Rad im Zweifel immer ich das größere Problem hätte.

Das Wetter passt zur rauhen und ursprünglichen Landschaft. Das Land, die Felsen sind von allen Seiten von Wasser umgeben – von den Binnenseen, den Flüssen, dem Meer und eben auch vom Regen und den mächtigen Wolken.

 

Nie wieder E6!

Leider geht es noch einige Male auf die E6,  denn Umfahrungen sind nicht überall möglich. Als endlich die Landstrasse 17 erreicht ist, läßt der Verkehr nach und ich habe Strasse und Landschaft wieder die meiste Zeit für mich. Jetzt macht das Radfahren wieder Spaß, besonders an den Küstenabschnitten.

Heute kommt mir ein Radreisender entgegen, in den letzten Tage waren es immer mal einer oder zwei gewesen. Nur einmal kam mir eine Gruppe von vier Herren mit vollbepackten Rädern entgegen, die meisten fahren Solo. Man grüßt sich und fährt weiter. Einer von beiden rollt gerade den Berg herunter und der andere quält sich rauf. Kann man irgendetwas Sinnvolles aus der Anzahl der Radreisenden schliessen, die einem entgegenkommen?

Ich mache mir Gedanken über die Vorliebe der Norweger für teure und grosse Autos. Für mein Empfinden fahren hier viele E-Autos, viele Autos aus dem „C-Segment“ (Audi A6…) und viele alte Ami-Schlitten mit beeindruckendem 8-Zylinder Sound herum. Ich vermute den Grund für diese Vorlieben schlicht in den finanziellen Möglichkeiten sich diese exclusiven Fahrzeuge leisten zu können. Nicht immer passen die grossen Autos aber in die Garagen, die wahrscheinlich noch für die Autos von Volvo und Saab ausgelegt worden waren.

 

Weiter in Richtung Norden

Ich fahre weiter in Richtung Norden und lege keinen Zwischenstop in Trondheim ein. Zu dieser Entscheidung gehört auch, den Weg nicht über den Flakkfjorden in Richtung Rissa zu nehmen sondern über die Orte Stjördal und Steinkjer. Nicht bewusst ist mir, daß dieser Weg fast zwangsläufig bedeutet, daß ich die berüchtigte „E6“ fahren werde.

Die „E6“ in dieser Gegend mit dem Rad zu befahren ist etwa so wie auf der Autobahn A2 mit dem Rad zu fahren – bloß ohne Standstreifen. Mit Helm, meinem Warn-Bolero, viel Konzentration und Adrenalin habe ich das Abenteuer überlebt als sich kurz vor Levanger Regen ankündigt.

Im Zentrum von Levanger finden im Rahmen der Norwegischen Rad Meisterschaften die Kriterium Rennen statt (d.h. ein Kurs in der Stadt mit vielen Kurven wird 10-20 gefahren). Als der kräftige Regen beginnt habe ich einen trockenen Platz von dem aus ich das Frauen Rennen verfolgen kann.

Es gibt einen Start-Ziel Sieg, spannend ist nur der Kampf um den zweiten und dritten Platz. Meine Favoritin ist die „Startnummer 216“. Sie macht im Feld die ganze Zeit die Führungsarbeit und kommt dafür später als Letzte der Verfolgertruppe ins Ziel.