Das Skandinavische Modell

Nordjütland ist für mich der schönere, weil weniger dicht besiedelte Teil Dänemarks – auch wenn es jetzt im Sommer dort einige große Ferienzentren gibt. Südlich von Aarhus ist es mit dieser Idylle vorbei. Die (zugegeben hübschen) Städtchen liegen in engem Abstand von 20-40km auf meinem Weg in Richtung Süden.

Mir war schon in Schweden – anders als in Norwegen – die allgegenwärtige Regulierung, Belehrung und Bevormundung auf die Nerven gegangen. Was die Dänen hier in ihrem Land abziehen ist aber nicht weniger bizarr. An einer nicht besonders großen Kreuzung in Kolding finde ich parallel 6 (in Worten „sechs“) Ampeln, die alle die gleiche Bedeutung haben. Dazu ein Schild, das besagt, daß Radfahrer bei rot anhalten müssen. Das schönste Symbol behördlichen Unfugs sind aber die „Fahrradzählautomaten“ der Marke „Beamtenstolz“ in jedem kleineren und größeren Ort. Wen interessiert, daß er heute der 41. Radfahrer an dieser Stelle ist und in diesem Jahr der 7895. Radfahrer? Ich hoffe inständig, daß auf diesen Geräten nicht irgendwo ein Schild angebracht ist: „Financed by The European Commission for a Sustainable Europe“. Den ausgeprägten Hang der Dänen (wie der Schweden und Niederländer) zu bigotter Symbolpolitik kenne ich ja noch aus meiner Zeit in Brüssel.

Während dänische LKW mich zu einem unfreiwilligen Ausflug ins Grüne zwingen wünsche ich mir, die öffentlichen Mittel für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur wären in klassischen Tiefbau statt in Schilder, Bemalung, Ampeln und Zählautomaten geflossen. Zu hoffen ist, daß sich die deutschen Kommunen kein Beispiel am sagenumwobenen „Skandinavischen Politik Modell“ nehmen werden.

P.S.: „Fahrradzählautomaten“ liegen in meiner Reihenfolge der unsinnigsten technischen Gegenstände noch vor den „Helmkameras auf Helmen schwäbischer Motorradfahrer“. Schwäbische Motorradfahrer haben ihr eigenes Geld dafür vergeudet: das ist dumm. Dänische Beamte haben das Geld anderer Menschen vergeudet: das ist schändlich.

Irgendwie bekannt

Das Radfahren in Jütland ist wie Radfahren in Ostfriesland. Ein wenig mit dem Wind kämpfen und ansonsten immer geradeaus. Im Vergleich zu den abwechslungsreichen Strecken an der norwegischen Küste ziehmlich langweilig – aber mir gefällt es. Eine Radtour als Jugendlicher mit meinem „Favorit“ Rennrad (mit Ledersattel wie mein jetziges Rad) in der Krummhörn kommt mir in Erinnerung. Seltsam.

Vor einigen Jahren bin ich in Dänemark den „Nordseeküstenradweg“ an der Westküste Jütlands gefahren. Ich meine mich zu erinnern, daß ich damals die Tour in Frederikshavn beendet hatte. Offenbar eine fehlerhafte Erinnerung. Einzelne Abschnitte und Orte (z.B. die Fährfahrt in Hals, einzelne Straßenkreuzungen) erkenne ich ohne Zweifel wieder. Erstaunlich, daß solche Details in Erinnerung geblieben sind. 

Rücktransport

Nach der Fahrt mit der Hurtigrute bis Harstedt fahr ich mit dem Rad ca. 30km bis zur „Europastraße 10“ (= E10). Dort nehme ich den Bus bis Narvik. Ich weiß nicht, daß in schwedischen Zügen die Mitnahme von Fahrrädern eigentlich nicht möglich ist. Mit symbolischer Demontage des Vorderrads und des Sattels gelingt es mir aber doch das Rad in die „Ofotenbahn“ mitzunehmen.

Ab dem Ort Boden im Schwedischen Lappland ist der Zug bereits voll belegt. Ich übernachte dort und erlebe am Sonntag in dem Ort ein kleines idyllisches Dorffest – mit historischem Handwerk, Musik und selbstgemachtem Kuchen.

Von Boden aus nehme ich einen Direktzug nach Göteborg (16 Stunden Fahrzeit) und spare mir damit ein Umsteigen in Stockholm mit dem Rad. Die Diskussionen um die Fahrradmitnahme sind diesmal etwas umfangreicher als am Vortag.

Wegen der Schwierigkeit beim Radtransport in der Bahn und sehr kräftigem Westwind steht der Entschluss schnell fest noch heute mit der Fähre weiterzufahren. Statt nach Kiel fahre ich kurz entschlossen über das Kattegat nach Frederikshavn. Froh über die moderate Temperatur, die flache Strecke, das leichte Fahren und darüber endlich nicht mehr in Fähren oder Zügen rumhängen zu müssen radel ich gleich am Abend noch knapp 30km in Richtung Süden. Dann suche ich mir ein lauschiges Plätzchen um das Zelt aufzubauen.

Ich freue mich auf die jetzt wieder dunklen Nächte und die noch kommenden Tage auf dem Rad: jetzt in Dänemark, zwischen Getreidefeldern, Kartoffeläckern und Ostsee.

Hurtigrute

Um 5:45 Uhr fahre ich mit der „Richard With“ der berühmten Hurtigrute in Honningsvåg ab. An Bord kann ich mein ursprüngliches Ticket bis Harstadt verlängern – diese Buchung ohne gleichzeitige Buchung einer Kabine war mir im Internet verwehrt worden. Geht doch!

Die Atmosphäre auf dem Schiff ist angenehm ruhig und sehr gediegen. Hier fährt das internationale „Seniorenstift“ und weniger das deutsche „Altenheim“ und ganz sicher kein schwäbischer Motorradfahrer mit Helmkamera.

Auf Deck 7 in der „Panorama Bar“ geniesse ich die Aussicht, hole gelegentlich etwas Schlaf nach und lese – die angemessene Erholung nach dem gestrigen Tag. Das Schiff und die Fahrt erhält von mir 5+ Sterne und eine uneingeschränkte Empfehlung (Variante ohne Kabinenbuchung).

Nordkapp

Meine Erwartungen an die heutige Strecke und an das Nordkapp selber waren gering und werden enttäuscht. Laut Wetterbericht 8ºC, Wind aus Nord mit 7m/sec und Regen. Dazu dichter Nebel auf der ganze Strecke. Von der Insel sehe ich nichts außer ein paar Rentieren direkt am Strassenrand. Längere Strecken muss ich zu Fuß gehen und mein Rad (ohne Gepäck) mit Kraft festhalten, daß es mir von dem Sturm nicht fortgerissen wird.

Am Nordkapp muss ich nach „dem Globus“ fragen um ihn im dichten Nebel zu finden obwohl ich 50m davor stehe. Die anderen Nordkapp Gäste entsprechen dem Vermuteten – auch sie sind enttäuscht von dem was sie sehen.

Der Weg war heute sicher nicht das Ziel. Diesmal war tatsächlich das Ziel selber und vor allem dessen Symbolik das Ziel.