Kleiner Belt und Dänische Südsee

Im Sommer 2021 hatte ich die Erfahrung gemacht, daß längere Überfahrten über offenes Wasser mit Southern Cross über ein Wochenende kaum durchführbar sind. Der logistische Aufwand und Berücksichtigung des Wetters erfordern, daß sich eine kleine Gruppe (3-4 Leute) für etwa eine Woche verabredet und dann flexibel auf Wetter- und Strömungsbedingungen reagiert.

Um möglichst viele Streckenoptionen zu haben schien mir Bagenkop (Langeland, Dänemark) ein idealer Ausgangspunkt zu sein. Ende Mai bis Anfang Juni zeigen die Wetteraufzeichnungen für Bagenkop eine relativ gleichmäßige Verteilung der Windrichtungen, schon akzeptable Temperaturen und wenig Regen.

Ende 2022 gibt es neben mir drei Menschen, die sich die letzte Woche im Mai 2023 für ein kleines Ruderabenteuer im Kalender freihalten. Gleichzeitig erhält Southern Cross die kleinen Veränderungen, die ich mir von “Roxy” im Sommer abgeschaut hatte.

Einige Tage vor dem geplanten Start der Tour sagen die Wetterprognosen stabil schwache westliche Winde für den Kleinen Belt für den ersten Tag der Tour voraus. Wir vereinbaren daher die Tour bereits in Fynshav statt in Bagenkop – wo eine Unterkunft warten würde – beginnen zu lassen. Der Plan ist, daß uns der erwartete anfangs schwache Westwind in drei Etappen über den Kleinen Belt und durch die Dänische Südsee bis Langeland/Bagenkop schieben soll bevor die Windstärken zunehmen.

1. Tag: Samstag 27.5.23 Fynshav – Avernakö
Bisher nur per Messenger oder Videokonferenz bekannt treffen wir uns erstmals alle persönlich am Samstag vormittag in der Marina von Fynshav; Juliane, Detlef, Frank mit dem Seekajak Halkyone und ich mit dem Ruderboot Southern Cross.

Das Begrüßen, Vorstellen, Boote begutachten, Gepäck umladen, Boote ins Wasser bringen etc. dauert bis zum frühen Nachmittag. Kurz nach 14Uhr verlassen wir bei ruhigem Wasser Fynshav um den Kleinen Belt zu queren und den westlichen Hafen der Insel Avernakö anzusteuern.

Die Rudermannschaft macht erste Erfahrungen mit dem Rudern auf Southern Cross und kommt bei dem glatten Wasser etwa gleich schnell wie Frank im Seekajak voran. Als wir Lyö erreichen zeigen sich zum ersten Mal die Unterschiede in der Fahrweise: während Frank im Seekajak dicht unterhalb von Lyö fährt, fahren wir im Ruderboot per Autopilot lieber mit größerem Abstand von der Insel und direktem Kurs auf Avernakö.

Auf Avernakö können die Zelte direkt am Hafen aufgebaut werden. Ich übernachte auf Southern Cross. Der Nachteil ist, daß mein Weg zu Küche – an diesem Abend wird Hühnersuppe serviert – etwas länger ist.

2. Tag: Sonntag 28.5.23 Avernakö – Birkholm
Den ersten Abschnitt entlang der Insel bis zum östlichen Teil von Avernakö tauschen Frank und ich die Boote.

Das Paddeln mit Halkyone empfinde ich als angenehm und sicher. Vom Kajak aus betrachtet wirkt Southern Cross noch größer als gewohnt.
Auf Birkholm angekommen stellen die drei reisenden Männer bereits folgende Verluste fest: eine Trinkflasche, eine Brille und eine Zeltstange.

3. Tag: Montag 29.5.23 Birkholm – Bagenkop
Nach Gesprächen mit Seglern in Birkholm glaube ich auf die Vorbereitung einer Route für das GPS verzichten zu können. “Im Fahrwasser in Richtung SO bis zur Untiefentonne, dort nach Süd mit direktem Kurs auf Marstal drehen” ist mein einfacher Plan. Ich übersehe dabei, daß es zwei Untiefentonnen in Richtung SO gibt, drehe bereits nach der ersten Tonne in Richtung Marstal und komme sofort in flaches Gewässer. Den Fehler rechtzeitig bemerkend geht es nochmal zurück, zur zweiten Untiefentonne und dann schliesslich in Richtung Marstal.

Nach kurzem Zwischenstop in Marstal rudern und paddeln wir nach Bagenkop und versprechen gegenseitig in Sichtweite zu bleiben, doch irgendwann beträgt der Abstand zwischen Kajak und Ruderboot mehr als 1.5km und wir können das Kajak gegen das Ufer nicht mehr erkennen. So funktioniert es also nicht, eine bessere Abstimmung der anzusteuernden Wegpunkte ist notwendig.

In Bagenkop angekommen müssen wir zuerst mit dem Linienbus nach Rudköbing fahren um den Hausschlüssel für das gebuchte Ferienhaus abzuholen – eine Nebenwirkung der kurzfristigen Planänderung am Beginn der Tour. Der freundliche Hafenmeister lädt uns als Ruderer als persönliche Gäste ein und verzichtet für die kommenden vier Nächte auf die Hafengebühr.

4.-6. Tag: Dienstag-Donnerstag 30.5.-1.6.23 Bagenkop
Nach drei Tagen auf dem Wasser ist “chillen” und “Auto nachholen” angesagt und am Abend sind Autos und Trailer rund um die Dänische Südsee mehr oder weniger sinnvoll verteilt.

Am Mittwoch, dem 5.Tag der Tour, nimmt der NW-Wind auf Windstärke 5 zu und wir wollen den Umgang mit Southern Cross unter diesen Bedingungen üben (“Fokussiertes Rudertraining”). Von den insgesamt 12 Wassertanks werden 8 Tanks gefüllt, ein gleichschenkliges Dreieck mit 1Nm Kantenlänge vor dem Hafen Bagenkop wird als Navigationsaufgabe definiert und Hüftgurte für die Sicherungsleinen werden angelegt.

Als wir den Hafen verlassen fällt uns auf, daß sich das Boot in den Wellen durch den zusätzlichen Ballast stabiler anfühlt als bei unserer Ankunft vor zwei Tagen.

Ich möchte per Handsteuerung das Boot gegen den Wind auf den ersten Wegpunkt steuern um dort den Autopiloten zu aktivieren. Es gelingt mir nur mit Mühe das Boot am ersten Wegpunkt auf den geplanten Kurs zu bringen. Mehrere Versuche den Autopiloten zu aktivieren schlagen dagegen fehl.

Als es mir schließlich halbwegs gelingt das Boot mit 1-2 Knoten in Richtung des zweiten Wegpunktes zu steuern proben wir einen Steuermannswechsel in den Wellen. Juliane übernimmt das Steuer und auch sie steuert erstmal eine Schleife bis sie das Boot stabil auf den Zielkurs bekommt.

Am Donnerstag lässt der unverändert kräftige Wind aus NW noch keine Weiterfahrt zu. Stattdessen fahren wir mit Auto & Fähre nach Marstal, geniessen die Ruhe des Ortes in der Vorsaison, essen Eis und besuchen das Seefahrtsmuseum.

7. Tag: Freitag 2.6.23 Bagenkop-Drejö
Der Wind hat auf NNO gedreht und etwas nachgelassen. Die Prognosen sagen für die kommenden Tage eine weitere Abschwächung des Windes aus NO voraus. Eine Rückfahrt entlang der SW-Küste von Aerö in Richtung Mommark verwerfen wir, weil es für das Ruderboot dort keine Anlandemöglichkeiten geben würde. Es bleibt nur die Rückfahrt auf gleicher Strecke zu versuchen – diesmal gegen den Wind.


Einen langen Rudertag erwartend legen wir kurz nach 9Uhr in Bagenkop ab. Die Strömungsprognose sagt ca. 0.5km/h Gegenströmung in der Bucht vor Marstal voraus. Unmittelbar im Fahrwasser vor Marstal ist die Gegenströmung nochmal deutlich stärker und wir versuchen ihr im flacheren Wasser auszuweichen.

Als wir das ausgetonnte Fahrwasser vor Birkholm erreichen und den Kurs auf NW ändern wird das Rudern etwas leichter. Im Windschatten von Birkholm warten wir einen kurzen Landgang von Frank ab und fahren das letzte Stück mit von der Seite kommendem Wind und Wellen in den Hafen von Drejö. Mit etwa 8 Stunden an den Skulls ist dies die Königsetappe der Tour.

8. Tag: Samstag 3.6.23 Drejö – Avernakö
Wir diskutieren ob Fynshav erreichbar sein wird, ob vielleich Söby auf Aerö eine Option sein könnte oder ob wir konservativ planen und Faaborg ansteuern sollten. Der Kompromiss besteht schließlich darin, daß wir in einer kürzeren Etappe wieder nach Avernakö fahren um dort im Ort Pommes zu essen und weitere Entscheidungen auf Sonntag zu verschieben.

Pommes, Eis und das Ambiente der Restauration übertreffen die Erwartungen. Ein Teilnehmer des “Adventure Teams” erhält während des Mittagsschlafs liebevolle Zuwendung.

Die am ersten Tag verlorene Zeltstange taucht wieder auf, Trinkflasche und Brille müssen als Verluste abgeschrieben werden.

9. Tag: Sonntag 4.6.23 Avernakö – Fynshav

Während der Nacht und des frühen Vormittags weht eine kräftige Brise aus Nord, der Himmel ist bedeckt und der Zweifel Fynshav heute erreichen zu können nimmt wieder zu. Die Prognosen der unterschiedlichen Wetterdienste stimmen jetzt aber darin überein, daß ab 10Uhr der Wind nachläßt und daß es ein Zeitfenster von 14Uhr bis ca. 19Uhr geben wird, in dem es gut möglich sein sollte den Kleinen Belt zu überqueren.


Wir verlassen Avernakö um 11:30Uhr und mühen uns gegen den Wind bis Lyö. Entlang der Westküste von Lyö und Aerö kommt noch eine kräftige Strömung aus Nord dazu, die wir queren müssen. Gegen 14Uhr ist das Strömungsband passiert, der Wind weht nur noch schwach und die Sonne scheint. Die verbleibenden 8-9km über den Kleinen Belt bis Fynshav rudern wir entspannt und geniessen den Abschluß der Tour.