GB Row 2025: Ostküste von Dunbar bis Burnham-on-Crouch

Vorgeschichte

Im Winter 2024 bekomme ich die Zusage für einen Platz auf dem Ozeanruderboot Roxy für eine Rudertour in der Karibik. Das Boot soll im Februar 2025, nach dessen Überquerung des Atlantiks, in zwei Etappen von Antigua nach Miami überführt werden. Als im Januar 2025 Flüge und Unterkünfte gebucht und die Taschen gepackt sind, erfahre ich, dass die Tour nicht stattfindet, weil ein Container mit wichtiger Ausrüstung nicht rechtzeitig vor Ort sein wird. Das Boot wird in den folgenden Wochen unter Motor nach Miami gebracht und von dort nach Europa verschifft.

Ziemlich enttäuscht akzeptiere ich einen Ruderplatz bei der geplanten Umrundung Grossbritanniens. Im Mai wird entschieden eine kleinere R45-Roxy statt der R80-Roxy für die Umrundung einzusetzen.

Am 7. Juni startet in Ramsgate, nordöstlich von Dover, die Umrundung Grossbritanniens in sieben Abschnitten. Ich habe einen Ruderplatz für die letzten beiden Abschnitte von Eyemouth bis Ramsgate. Bereits auf dem ersten Abschnitt muss das Boot wegen ungünstiger Bedingungen zweimal auf den Trailer genommen werden um den vereinbarten Übergabehafen Plymouth zu erreichen. Auch auf den folgenden Abschnitten entlang der Westküste nach Wales und Schottland wird das Boot über weite Strecken auf der Strasse transportiert und werden Übergabehäfen neu festgelegt.

Wissend um den bisherigen Verlauf der „GB Row 2025“ reise ich am 18. Juli nach Eyemouth in Schottland, ein kleiner Hafenort östlich von Edinburgh.

1. Tag, Samstag, 19.7.25: Dunbar – Eyemouth, 33km

Chris, der uns in den kommenden Tagen an Land unterstützen wird, bringt uns von Eyemouth nach Dunbar. Wir holen unseren Skipper Neil – ein erfahrener Ozeanruderer – von seiner Unterkunft ab und fahren zu dem Hafen in dem Roxy liegt, am Lifeboat festgemacht.

Wir sehen uns das Boot an und während wir danach im Ort Scones zum Frühstück bekommen, bereitet Neil das Boot für die anstehende Tour vor. Die Abfahrt ist für 12 Uhr angesetzt – etwa zwei Stunden vor Beginn des nordsetzenden Tidenstroms.

Neil plant mit 2 Stunden Wechselschichten in einem ersten Schlag von 24 Stunden die Holy-Islands zu erreichen. Ich teile mir mit ihm den Schlagplatz und die hintere Kabine, Juliane und David teilen sich den zweiten Ruderplatz und die vordere Kabine.

Mit Neil am Steuer rudern David und ich aus dem Hafen auf offenes Wasser hinaus. Wir haben mäßigen Gegenwind aus Süd-Ost. Aus den anfänglichen 3kn (SOG = Speed Over Ground) im Hafen werden bald 2kn und irgendwann sind auch 2kn nicht mehr zu halten. Als wir nach zwei Stunden kaum noch vorankommen bin ich froh in die Kabine wechseln zu können. Neil und Juliane ergeht es danach nicht besser.

Es beginnt zu regnen und für meine kommende Ruderschicht ziehe ich Segelhose und Regenjacke an. Wieder können David und ich das Boot kaum gegen Tidestrom, Wind und Dünung vorwärtsbewegen. Erst als wir mit Neil zu dritt rudern kommen wir langsam voran. David zieht sich zu Juliane zu gemeinsamem Leiden in die vordere Kabine zurück und in den folgenden Stunden mühen wir uns zu zweit den nächsten Hafen zu erreichen. Nach zehn Stunden legen wir im Hafen Eyemouth an, dem ursprünglichen Übergabehafen und Ausgangspunkt des heutigen Tages. Wir haben zu zweit gegen Wind und Strömung immerhin eine Geschwindigkeit von durchschnittlich 1,8kn gehalten. Völlig erledigt verkrieche ich mich in meinen Schlafsack.

Eine Weiterfahrt direkt am nächsten Morgen ist in unserer desolaten Verfassung ausgeschlossen. Ich erbitte mir Navigationsberatung von Uli, Skipperin der Segelyacht Anuk, mit der ich zuvor nach Schottland gesegelt bin. Nach kurzer Durchsicht der AIS-Daten und der Tidezeiten ist sie über unsere gestrigen Probleme wenig verwundert. In der Hoffnung aus dieser Erfahrung zu lernen befasse ich mich intensiver mit dem Versatz zwischen Tide und Tideströmungen, den „tidal diamonds“, Windprognosen und kommenden möglichen Anlandestellen.

Wir reduzieren unsere Ambitionen, gönnen uns diesen Sonntag als Ruhetag, trocknen Klamotten, kleben Pflaster hinter Ohren und planen morgen in zwei Tiden – diesmal mit dem Tidenstrom – den Hafen Seahouses zu erreichen. Um gut voranzukommen wollen wir durchgängig voll besetzt zu dritt rudern.

3. Tag, 21.7.25: Eyemouth – Seahouses, 46km

Um 8 Uhr legen wir ab, die Bedingungen sind günstig und die 29km zu den Holy-Islands legen wir in 6 Stunden zurück. Beobachtet von sehr vielen Seehunden ankern wir in einer der nördlichen Buchten der Insel und warten darauf die Fahrt mit südsetzendem Tidenstrom fortzusetzen.

Gegen 18 Uhr verlassen wir die Ankerbucht, drei Stunden später erreichen wir Seahouses Hafen. Am Steg erwartet uns unser neuer Mitruderer Damian. Damian ist schon mehrfach mit Neil gerudert und hat bereits den Atlantik im Ruderboot überquert. Mit ihm als Verstärkung können wir wieder auf das 2 Stunden Schichtsystem wechseln und damit lange Strecken (24h+) in Angriff nehmen. Im „The Old Buoy Inn“ gibt es noch ein Bier bevor es an Bord in die Schlafsäcke geht.

4. & 5. Tag, 22.-23.7.25: Seahouses – Whitby, 149km

Nach ausgiebigem Frühstück mit Beginn des südsetzenden Tidestroms um 10 Uhr wird abgelegt. Vorher haben wir eine Diskussion über den Sinn des Ruderns gegen den Tidenstrom. Neil plädiert für konsequentes Durchrudern bis Withby um keine Zeit für das Ein- und Ausfahren in einen Hafen und für Anlegemanöver zu verlieren, ich plädiere für einen Zwischenstop in Blyth um den nordsetzenden Tidenstrom abzuwarten und um dann ausgeruht und mit unterstützender Strömung die lange Strecke (ca. 90km) bis Whitby in Angriff zu nehmen.

In der neuen Besetzung (Damian & Neil sowie David & Juliane & ich, jeweils 2 Stunden) schaffen wir die knapp 60km von Seahouses bis Blyth in einer Tide. Bei der Einfahrt in den Hafen Blyth muss ich mir anhören wie hässlich dieser Industriehafen ist, die Pause und die Pizza Peperoni entschädigen mich für die freundliche Stichelei.

Die Abfahrt gegen 21 Uhr ist besonders: Der Skipper einer Niederländischen Segelyacht läßt für uns bei der Abfahrt das Nebelhorn ertönen.

Das Rudern in die Nacht in Richtung Newcastle ist angenehm. Das Wasser ist ruhig, der Himmel ist bedeckt, wir haben gute Sicht und kommen gut voran. Vor Newcastle gibt es regen Schiffsverkehr, der etwas Aufmerksamkeit erfordert. Gut, dass es GPS und AIS gibt! An Backbord haben wir tiefschwarze Nacht, zeitweise ohne erkennbaren Horizont, an Steuerbord sehen wir die Lichter der Küste. Das Ruderdeck wird schwach von dem Positionslicht auf der vorderen Kabine beleuchtet, die Navigationsinstrumente sind auf rötliche Displaybeleuchtung umgestellt. Die Lichter der Küste werden kleiner und der Abstand zur Küste größer.

Wieder teile ich mir mit Neil den Schlagplatz und die hintere Kabine und damit den Zugang zum Plotter und zum Autopilot. Während meiner Freiwachen schaue ich gelegentlich auf die elektronische Karte und stehe auf um einen Blick über das Meer zu werfen, so wie ich es auf der Anuk gelernt habe. In der Freiwache um 2-3 Uhr schlafe ich ein und Neil muss zusätzlich zum Rudern den Kurs überwachen. Der gleichmäßige Ruderschlag, das Gurgeln des Wassers am Bootsrumpf und die Bewegungen des Bootes in der leichten Dünung lassen mich gut schlafen.

Gegen 4 Uhr beginnt die Morgendämmerung, ich freue mich über den beginnenden Tag, wechsel irgendwann von „lang“ (d.h. lange Ruderhose, langes Shirt & Hoodie) auf „kurz“ und bereite mir ein Instant Frühstück, Oatmeal mit Raspberry, zu.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Whitby. Neil meldet uns per Funk beim Hafenmeister an und bittet um Erlaubnis für die Einfahrt, wir fahren nach den Regeln für Yachten. Nach Klärung von Bootslänge und Tiefgang weist uns der Hafenmeister einen Liegeplatz zu und erspart uns langes Herumrudern im Hafen.

An unserem Steg liegt das große Rossiter-Ruderboot Nanook von Leven Brown, das ebenfalls auf dem Weg zu einer Umrundung Grossbritanniens ist. Wir treffen uns mit Leven und der Crew der Nanook im Pub und lassen den erfolgreichen Tag angemessen ausklingen.

6. & 7. Tag, Donnerstag 24.-25.7.25: Withby – Scarborough, 33km

Am Morgen sieht sich Neil die Bedingungen in der Hafeneinfahrt an und stellt fest, dass eine Ausfahrt aus dem Hafen in der Mittagszeit wegen des Ostwinds nicht möglich sein wird. Die Abfahrt in Richtung Scarborough wird auf Mitternacht verschoben. Wir verbringen den Tag mit Sightseeing, Shoppen, gemeinsamem Mittagessen, einem Spaziergang zur Whitby-Abbey und einem Besuch der beiden Ruderklubs während des Rudertrainings mit Corniche-Pilot-Gigs.

Die Nanook legt wenige Stunden vor uns ab und macht sich auf den Weg nach Lowestoft.

Um 23 Uhr ist wegen des Niedrigwassers die Fahrrinne vor unserem Steg so schmal, dass wir das Boot paddelnd und stakend langsam in tieferes Wasser vorschieben müssen bis wir die Skulls einlegen können. Die Ausfahrt aus dem Hafen von Whitby gegen Wind und Wellen erfordert ganze Anstrengung und als wir sicheren Abstand zur Küste erreicht haben fallen wir in den gewohnten Ablauf aus Eat, Sleep, Row, Repeat.

Morgens um 6 Uhr erreichen wir den Hafen Scarborough. David und Damian reisen ab und ich hole noch etwas Schlaf nach, bevor wir uns ein angemessenes Frühstück gönnen. Neil räumt das Boot auf, Juliane und ich sehen uns die Stadt an und, wie gestern in Whitby, das Rudertraining in den Corniche-Pilot-Gigs. Eine traditionsreiche Regatta um den Wilson-Cup der Rudermannschaften von Scarborough und Whitby mit angeschlossenem Volksfest wird in zwei Wochen stattfinden. „Whitby – Scarborough“ statt „Oxford – Cambridge“.

Für den Abend sind wir in den Yachtclub zum Barbecue eingeladen und hören dort Geschichten von Segelregatten und einer selbstgebauten Alu-Segelyacht sowie Klagen über den schlechten Wartungszustand der Hafenanlagen. Ich geniesse ein Zimmer in einem vornehm gewesenen Hotel zu günstigem Preis, Neil und Juliane geniessen ihre Einzelkabinen auf dem Boot.

8. – 10. Tag, 26.-28.7.25: Scarborough – Lowestoft, 254km

Während des Wartens auf die Skipperin und die neuen Crewmitglieder sortiert Neil die verbliebenen Instant Mahlzeiten und legt den für die weitere Fahrt unnützen Para-Anchor zum Trocknen und zur Abholung bereit. Chris liefert frische Jelly-Babys, Ginger-Kekse und Instant Mahlzeiten ans Boot und ich besorge mir meine persönliche Ration aus TUC-Keksen, Erdnüssen und Englischem Lakritzkonfekt.

Die mir noch unbekannte und viel gelobte Skipperin Louise versendet per Messenger aus dem Zug die Schichteinteilung für die kommenden Tage und die Ruderaufgabe:
„Route 1 scar-Lowestoft / 138 nm 2days 6 hours @2.5kts // Route 2 Lowes- burnham /
71nm 1 day 4 hours @2.5knts“

Kurz nach 14 Uhr sind Louise, Ann-Marie und Paul am Boot und nehmen mit eindrucksvoller Ausrüstung und viel „positive-can-do-attitude“ ihre Plätze ein. Gegen 15 Uhr legen wir ab.

Mit einer Besatzung von jetzt sechs Personen sind alle drei Ruderplätze durchgehend besetzt. Louise und Neil teilen sich den Schlagplatz, die Aufgaben des Skippers und einen Schlafplatz in der hinteren Kabine. Juliane und ich teilen uns den Bugplatz, die Zuständigkeit für Kocher, Wasser, Eimer und Anker sowie einen Schlafplatz in der vorderen Kabine. Paul und Ann-Marie teilen sich den mittleren Ruderplatz und sind in der Bug- bzw. in der Heckkabine mit untergebracht. Auf Schlag- und Bugplatz wird zu den ungeraden Stunden gewechselt, Paul und Ann-Marie wechseln zu den geraden Stunden.

Nach Passieren der Landzunge von Flamborough nehmen wir direkten Kurs auf Lowestoft und queren dazu die Humber Bay mit relativ grossem Abstand von der Küste. Nach einigen Stunden ist die Küste außer Sichtweite, wir befinden uns in internationalem Gewässer, bekommen das Gefühl von echtem Ozeanrudern und haben unsere neuen Mitruderer hinsichtlich ihren Neigungen zur Seekrankheit und ihren ruderischen Möglichkeiten ein wenig kennengelernt.

Mit einer Bitte um eine kurze gemeinsame Frühstückspause, in der wir den Kocher auf dem Bugplatz anwerfen und Oatmeals zubereiten könnten, dringe ich nicht durch. In der vorderen Kabine ist es uns bisher nicht gelungen zwischendurch das Instant Essen zuzubereiten. Notwendigerweise stelle ich irgendwann das Rudern im Bug ein um mich dem Kocher und der Zubereitung des Essens zu widmen. Kaum habe ich heißes Wasser in den Oatmeal Beutel gegossen, werde ich zurück zum Rudern gerufen.

Unerwartet ragt eine Windturbine (TK K01, die nordwestlichste Windturbine in der Triton Knoll Windfarm) vor uns auf und der starke Tidestrom droht uns gegen den Pylon zu drücken. Nach Klärung der Situation wende ich mich wieder meinem Frühstück zu und mache mir Gedanken. Ein gezieltes Umfahren einer Windfarm oder – wenn unvermeidlich – ein Verlassen auf kurzem Weg ist vermutlich dem Durchfahren einer Windfarm und dem Ausweichen sehr vieler Pylone vorzuziehen.

Am späten Nachmittag des zweiten Tages kommt die Küste von Norfolk in Sicht. Wir sind bereits zwei Tiden gegen die Strömung gerudert und haben noch einige Stunden südsetzende Strömung, in denen wir die Küste erreichen sollten um uns dort vor dem dann wieder beginnenden nordsetzenden Tidenstrom zu schützen.

Entlang der Küste rudern wir in die Nacht bis wir nur noch langsam vorankommen. Gut 20km vor Lowestoft gibt es die Möglichkeit bei 10m Wassertiefe sicher zu ankern. Der Anker wird ausgebracht und hält, zum Schlafen verteilen wir uns in den Kabinen und auf dem Ruderdeck. Gegen 5 Uhr haben wir wieder südsetzende Strömung. Nach kurzem Frühstück lichten wir den Anker, rudern weiter entlang der Küste und erreichen den Hafen Lowestoft am frühen Vormittag.

Am Steg treffen wir die Nanook und ihre Crew wieder. In dem schicken Royal Norfolk & Suffolk Yacht Club gibt es Duschen, eine Waschmaschine, Gästezimmer, Kaffee und kühle Getränke.

Einschließlich der Ankerpause haben wir 42 Stunden für die 254km lange Strecke benötigt, 12 Stunden weniger als zunächst veranschlagt, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von >3kn.

11. & 12. Tag, 29.-30.7.25: Lowestoft – Burnham-on-Crouch, 125km

Gegen 9 Uhr verlassen wir den Hafen Lowestoft und haben 8-9 Stunden Zeit um in die Nähe von Harwich zu gelangen und dort die dann gegen uns laufende nordsetzende Strömung abzuwarten. Um 18 Uhr nach etwa 70km ankern wir vor dem Ort Felixstowe. Nach dem Kippen der Tide unterstützt uns ein leichter Rückenwind beim Rudern der noch verbleibenden gut 50km.

In gegensätzliche Schichten eingeteilt sind Neil und ich seit Seahouses nicht mehr gemeinsam gerudert. In der letzten halben Stunde haben wir aber nochmal die Gelegenheit dazu und haben unseren Spaß: übermütig versuchen wir zum Abschluß unserer Tour die Geschwindigkeit deutlich über die 5kn Marke zu treiben.

Wir erreichen Burnham-on-Crouch gegen 4 Uhr morgens und legen bei leichtem Regen am Steg des Royal-Burnham-Yachtclub an. Neil und Louise suchen sich auf dem Clubgelände einen geschützten Platz, wir anderen zwängen uns in die Kabinen und gönnen uns noch 1-2 Stunden Schlaf. Zum Frühstück treffen wir uns im „Ye Olde White Harte Hotel“ und warten auf die Kollegen von Rannoch für die Bootsübergabe.

Nach großer Verabschiedung auf dem Steg fahren Juliane und ich mit zum Rannoch Sevice Centre. Mike führt uns durch die Hallen und über den Lagerplatz, zeigt uns Negativformen und einzelne besondere Boote – darunter auch die besagte R80-Roxy, die eine Grundsanierung erhalten wird – und erläutert uns die Struktur der Rannoch Bootsfamilie.

Danach geht es mit dem Zug nach London, dort nehme ich den Eurostar nach Brüssel, fahre abends weiter bis Aachen und bin am nächsten Morgen wieder in Gifhorn.

Fazit

Insgesamt sind wir in 12 Tagen 640km gerudert.

Ich habe interessante Aspekte der Britischen Kultur des Ruderns kennengelernt, die wir in Deutschland mit unserem Blick auf das Rennrudern, das Wanderrudern und neuerdings auf das Coastal-Rudern kaum wahrnehmen. Das traditionelle Rudern ohne Rollsitz auf offenem Wasser in Shetland-Yawls, St-Ayles-Skiffs oder Cornish-Pilot-Gigs hat, wenn es gekonnt betrieben wird, durchaus seinen Reiz. Ozeanrudern kann auch jenseits von Wettbewerben, wie den Atlantiküberquerungen im Rahmen der TWC, interessant sein, das zeigen die Fahrten von Leven Brown.

Von den Tideströmungen im Wattenmeer an der Ostfriesischen Küste hatte ich eine ungefähre Vorstellung. Diese Vorstellung fehlte mir für Gewässer wie der Englischen Ostküste und ich habe den praktischen Nutzen von Strömungsprognosen oder Gezeitenstromatlanten bei dieser Fahrt kennengelernt.

Das Konzept eines etwas größeren Bootes mit zwei geräumigen Schlafkabinen und drei Ruderplätzen, das mit vier seemännisch und ruderisch kompetenten Menschen gefahren wird, hat mich sehr überzeugt. Mit vier Personen kann relativ zuverlässig in einem 2- oder 3-Stunden Schichtsystem gefahren und die Kabinen können während der Fahrt komfortabel genutzt werden. Non-Stop-Fahrten über mehrere Tage mit Strecken von 100-300km sind damit gut und sicher durchzuführen. Es muss nicht immer La Gomera – Antigua sein.

In dieser Konstellation könnte man sehr schöne seemännisch etwas anspruchsvollere Ruderfahrten mit Wind und Strömungen in der Ostsee, durch Norwegische Fjorde oder um die Shetland Inseln herum unternehmen. Eine gewisse zeitliche Flexibilität ist dabei Voraussetzung. Wenn ich mir irgendwoher so ein Boot organisieren könnte…

Neil hat sich das Boot seiner ersten Atlantikquerung, die Deja Blue vom Typ „WoodVale Pair“, zurückgekauft um es zu sanieren. Was unternehme ich als nächstes mit meiner Southern Cross?

Das für die GB-Umrundung bereitgestellte Boot hätte ich mir in einem etwas besseren Zustand gewünscht. Ein Spiegel für den Schlagmann (Windkraftanlagen…), eine Logge (Gezeitenströmungen…), ein Echolot (Ankern) und ein korrigierter(!) elektronischer Kompass sollten bei solchen Fahrten zum Standard gehören. Die Verwendung der Atlantic Standard Time (AT = UTC-4 = Antigua) statt der British Summer Time (BST = UTC+1) als Bordzeit bei dieser Fahrt verbuche ich als Englischen Humor.

Meine erste Fahrt mit der R80-Roxy in Schottland vor drei Jahren war gut und umsichtig organisiert gewesen. Leider hat es seitdem Veränderungen in dem Bereich „Expeditions“ bei Rannoch gegeben und die Sorgfalt bei Vorbereitung des Bootes und der Crew sowie die Unterstützung während der Fahrt hat darunter etwas gelitten.