Rudern durch die Norddeutsche Tiefebene

Die Strecke von Gifhorn nach Ostfriesland einmal durchgängig zu rudern war überfällig, die Tour in diesem Jahr 2021 anzugehen war naheliegend. Bis auf die Unteraller zwischen Celle und Weser hatte ich die zu rudernden Gewässer irgendwann vorher schon befahren.

1. Tag: Müden bis Celle (28km)

Die Tour beginnt in Müden mit einem kurzen Abstecher stromauf in die Oker bis zum letzten Okerwehr. Ich freue mich nach einem Jahr wieder in Novecento zu rudern. Es fühlt sich alles richtig und vertraut an.
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Familienausflug auf die Ostsee

Für ein verlängertes Wochenende zum Beginn der Schulferien bin ich mit meiner Schwester und ihrer Tochter zu einer Ausfahrt auf Schlei und Ostsee verabredet. Ihre Ruderpraxis ist einige Jahrzehnte her bzw. nicht vorhanden. Southern Cross wird diesmal als Ausbildungsboot fürs Rudern dienen.

Bei Windstärke 3-4 aus O-SO rudern wir am Samstag zunächst kraftvoll und zügig bis Schleimünde. In der Einfahrt steht die Strömung gegen den Wind und wir mühen uns durch kabbeliges Wasser hinaus auf die Ostsee. Nach dem Steuerfrauenwechsel wollen wir eine Stunde gegen den Wind fahren. Der Autopilot wird auf Kompasskurs 110° eingestellt. Bei einem Seegang von 0,5m macht unsere Anfängerin die ersten Ruderversuche: Vorrollen – Drehen – Setzen – Durchziehen – Ausheben – Drehen – usw. (in jeder Hand einen Riemen statt eines leichten Skulls…) Anders als in einem klassischen Anfängerboot ist das Rollen/Wackeln des Bootes heute nicht zu vermeiden. Zum Glück haben die Skulls wegen des großen Dollenabstands keinen Übergriff: es besteht keine Gefahr sich in den Wellen die Daumen zu klemmen.
Die erste Übungsstunde unter verschärften Bedingungen endet nach gut 3 Kilometern und wir werden in der anschließenden Pause etwa einen Kilometer in Richtung NW zurück getrieben. Später wird mir bestätigt, daß es außer dem Ostwind noch eine Strömung in Richtung Norden entlang der Küste gegeben hat, die den von mir nicht erwarteten Versatz nach Norden erklärt.

Mit Rückenwind, Autopilot und hinreichend Vorhalt geht es zügig zurück nach Schleimünde, durch das Kabbelwasser, zurück in die ruhige Schlei und in den Hafen von Maasholm.

Am folgenden Tag stehen SUP-Paddeln, Surfen und Bootsbasteln auf dem Programm. Die Steuerung des Autopiloten durch den GPS-Plotter gelingt noch nicht und wird zum Arbeitspunkt für den Winter. Während des Tages teste ich den Windgenerator, der erst bei Windstärke 4 gerade beginnt sich zu drehen. Eine Änderung von Turbine oder Generator wird der nächste Punkt auf der Arbeitsliste. Zum ersten Mal übernachte ich auf Southern Cross und lerne dabei wie wichtig die ausreichende Belüftung der kleinen Kabine ist.Bevor das Boot am Montag wieder auf den Trailer gezogen und in der Scheune untergestellt wird rudern wir noch eine kleine Runde in Richtung Kappeln. Die Blasen an den Händen vom Samstag sind mit Pflaster geschützt und unsere Ruderanfängerin erlebt zum ersten Mal das Rudern auf glattem Wasser. Eine kurze Wettfahrt gegen zwei Seekajaks endet ohne Entscheidung. Mir scheint, daß bei ruhigen Bedingungen der Geschwindigkeitsunterschied gering ist. Langsam bekomme ich ein erstes Gefühl der Möglichkeiten und Grenzen von “Southern Cross”.

Butterfahrt im Ruderboot statt Kutterfahrt im Abendrot

Ende Mai 2021 hatte ich “Southern Cross” nach Maasholm gebracht und dort in einer Scheune untergestellt. Einen Monat später ist es soweit, daß eine erste Fahrt auf der Ostsee stattfinden kann.

Am Freitag vormittag holen wir das Boot aus der Scheune, lassen es an der Slipanlage im Hafen Maasholm ins Wasser und befüllen sechs der zwölf Wasser(ballast)kanister. Im Vergleich zu einem Kayak, Novecento oder einem Gig-Ruderboot ist die Vorbereitung und der Umgang mit diesem Boot aufwändig.

Nach einer kurzen Proberunde auf der Schlei legen wir das Boot in eine Box zwischen die vielen Motor-/Segelyachten und üben das Manövrieren im Hafen und das Festmachen. Das Boot, obwohl klein und unscheinbar im Vergleich zu den Yachten, wird mit Interesse zur Kenntnis gekommen. Mehrfach erzählen wir die Geschichte des Bootes.Bei schwachem westlichem Wind rudern wir nachmittags zu dritt (2X+) etwa zwei Stunden in nordöstliche Richtung auf die Ostsee hinaus. Die Geschwindigkeitsanzeige des Log zeigt 3-3.8kn. Gemäß GPS beträgt die Geschwindigkeit 6-7km/h über Grund. Der Rückweg nach Schleimünde wird anstrengender: Nur mit Mühe erreichen wir noch die 3kn durchs Wasser, unsere Geschwindigkeit über Grund geht auf 4-5km/h zurück. Zurück in Maasholm haben wir das Gefühl relativ viel Arbeit für die gut 20km lange Strecke geleistet zu haben.

Für den Samstag haben wir uns vorgenommen die Grenze von Deutschem und Dänischem Küstengewässer zum internationalen Gewässer bei 54 Grad 44’17” N 10 Grad 10’14” E zu erreichen, dort eine zollfreie Pause einzulegen und auf gleichem Weg zurückzukehren. Bei schwachem Wind aus wechselnden Richtungen fahren fast alle Segelboote unter Motor und wir sollten als Ruderboot vor Schleimünde Vorfahrt geniessen können – allein die Welt ist nicht so und unser Boot ist klein und schwach. Jeder von uns muß außerdem feststellen, daß es nicht einfach ist das kleine Boot ohne sichtbare Landmarken nur mit Kompass und GPS auf Kurs zu halten. Nach drei Stunden (mit zwei Steuermannswechseln) erreichen wir mit kleinen Umwegen das Ziel. Mit dem Kocher wird zum ersten Mal Wasser für “Instant Pasta Bolognese” gekocht. Nach dem händisch gesteuerten Schlangenlinienkurs vom Vormittag wird der Autopilot für die Rückfahrt angeschlossen und mit der Pinne verbunden. Das Dänische Telefonnetz heißt uns willkommen. Eine Ruderfreundin findet heraus, daß einige AIS-Aussendungen der “Southern Cross” unter “https://www.vesselfinder.com/de/?mmsi=211180570” gefunden werden können. Ich hatte schon befürchtet, daß der AIS Sender defekt sei. Das Wasser ist glatt und wir spüren eine leichte Dünung. Wenige Boote/Schiffe und die Deutsche Küste wie die Dänische Insel Aerö sind nur entfernt am Horizont zu sehen. Ein toller Moment!


Bei der Rückfahrt zeigt sich, daß der Autopilot eine sehr nützliche Einrichtung ist. Der Steuermann muß nicht die ganze Zeit in unbequemer Haltung den Kurs korrigieren sondern kann sich für einen Moment in der Kabine hinlegen oder die entfernte Küste mit dem Fernglas nach Landmarken absuchen. Ich frage mich, wie die Vorbesitzer der Southern Cross ohne Autopilot auf den langen Strecken einen geraden Kurs einhalten konnten.
Zweimal sehen wir Tümmler bevor wir nach etwa zwei Stunden Rudern wieder in die Schlei einfahren.Das Anlegen im Hafen verläuft etwas organisierter als beim ersten Mal. Der entscheidende Trick ist, daß einer der beiden Ruderer sehr früh im Hafen die Skulls aus den Dollen nimmt, den Peikhaken bereithält und dem anderen Ruderer nicht in die Quere kommt wenn es eng wird.
Mein technisches Fazit: AIS funktioniert, Autopilot funktioniert und ist sehr nützlich, Pasta Essen in der Pause funktioniert, irgendeine Unterstützung spontaner Kontaktaufnahme (QR-Code am Boot oder Visitenkarte) wäre praktisch, Rudern ist anstrengend, die Batterie hat an einem sonnigen Tag und ohne Nachtbetrieb durchgängig 99-100% Ladezustand, die Ruderpinne ist zu verbessern (Pinnenausleger), bessere Kenntnis auch schwacher aktueller Strömungen wäre gut, eine Überfahrt von Schleimünde nach Marstal bei westlichem Wind ist möglich.

Eine aufregende Sache: Ein so kleines Boot auf einem so großen Meer!

SC schwimmt wieder

Vor einem halben Jahr hatte ich Southern Cross nach Holzreparaturen und Neulackierung vom Bootsbauer zurückgeholt und gleich mit dem Wiederaufbau begonnen. Besonders der Aufbau der Elektrik mit den wasserdichten Kabeldurchführungen hat in den letzten Wochen mehr Zeit beansprucht als ich vermutet hatte. Am Wochenende war die Aufgabenliste endlich soweit abgearbeitet, daß das Boot für erste Testfahrten ins Wasser gesetzt werden konnte.Während mehrere Motorboot-Fahrschulen praktische Prüfungen für den Motorboot-Führschein abnehmen lassen (jede Menge uninteressiertes Publikum) wird Southern Cross mit Hilfe von zwei Freunden zwischen den Motorbooten an der Slipanlage Abbesbüttel in den Mittellandkanal geschoben.Wir rudern das Boot knappe zwei Kilometer zur Marina Abbesbüttel wo ich mir für eine Woche einen Liegeplatz reserviert habe. Mein erster Eindruck: die Rollsitze laufen schön ruhig (Kugellager und die harteloxierten Rollschienen haben sich gelohnt), die Skulls sind bei unbeladenem Boot immer noch zu hoch (trotz höherer Rollsitze, Distanzringe unter der Dolle entfernen), der Druck auf den Skulls ist zu gering (Hebelverhältnis ändern), in den Wellen eines überholenden Binnenschiffs rollt das Boot unerwartet stark (wird vermutlich mit gefülltem Ballasttank und Zuladung weniger).

An dem Steg in Abbesbüttel ist das Boot direkt dem Wellenschlag der vorbeifahrenden Binnenschiffe ausgesetzt.MD gelingt es, das Boot mit geschickt gelegten Festmachern und allen verfügbaren Fendern halbwegs sicher festzumachen. Ohne tägliche Kontrolle wird es wohl trotzdem nicht gehen.

Elbe 2020 / Übersicht

Diese Rudertour begann am 6. Juli in Schmilka bei Flusskilometer 4,6 direkt hinter der Tschechischen Grenze und endete am 16. Juli in Hamburg bei Flusskilometer 614,2. Übernachtet habe ich in (Radfahrer)-Pensionen, Jugendherbergen oder im Zelt. Das relativ hohe Gewicht des Bootes und der Ausrüstung war manchmal lästig und mir sind viele Dinge aufgefallen, die bis zu einer Tour auf der Donau zum Schwarzen Meer noch verbessert werden könnten. Spätestens seit dem Treffen und dem Austausch mit dem volans2-Ruderer hinter Wittenberge überlege ich wieder, ob die TID wegen der Streckenlängen der richtige Rahmen für eine Rudertour zum Schwarzen Meer ist.