Bootsgasse für Binnenschiffe

Gestern bei der Abfahrt in Dessau hatte ich noch eine nette Unterhaltung mit einem Paddler der JPG. Er klärte mich über die Ruinen vor Rosslau auf (Brücken zu Testzwecken), das Leben in Dessau (Rentnerstadt wie Görlitz, aber ohne schöne Gebäude) und gab u.a. Tips für die stromauf Befahrung der Havel (automatische, zentral gesteuerte und langsame Schleusen), falls mich in Havelberg der Westwind nerven sollte.

Um in Aken in der Mittagspause ein paar Lebensmittel einzukaufen – Samstag Mittag! – mußte ich eine längere Wanderung unternehmen. In der Innenstadt hatte nur ein Dönerladen und eine Apotheke geöffnet für alles was Menschen wirklich brauchen. Eine noch längere Wanderung war am Abend in Schönebeck fällig.

Nach drei Kilometern komme ich heute an einem Wasserwanderrastplatz mit guter Anlegemöglichkeit vorbei. Hätte ich davon gewusst, ich hätte mir in Schönebeck Unerfreuliches erspart (u.a. die seltsamen Typen vom Schönebecker Ruderverein). Der Jübermann Atlas “Elbe 1” ist ganz praktisch, die Angaben zu Vereinen, Pensionen und Zeltplätzen sind aber leider unzuverlässig. Dafür sind persönliche aktuelle Tips immer hilfreich.

Die Durchfahrt durch Magdeburg ist interessant. Stromauf der Innenstadt sind viele Motorboote unterwegs. Die eine Hälfte der Motorboote ist einfach so zum Sonntagsausflug unterwegs. Die andere Hälfte der Motorboote ist auch zum Sonntagsausflug unterwegs, hat aber zusätzlich ein Megaphon dabei und fährt neben einem Kippelboot mit zwei oder vier/fünf Kindern. Wie auch immer, Hauptsache den Leuten macht das Motorbootfahren Spaß.

Im Bereich der Innenstadt warnt der Jübermann Atlas vor Domfelsen!!, Strombrückenfelsen!! und Herrenkrugfelsen. In diesen Bereichen ist das Fahrwasser schmal und die Strömungsgeschwindigkeit hoch, eine Art Bootsgasse für Binnenschiffe. Mit Respekt, viel Gefühl und wenig Kraft auf den Skulls (das Boot bleibt gerade noch steuerbar) lasse ich mich durch die Engstellen spülen. Hier macht mich Rudern ohne Kraft tatsächlich schneller. Eine neue Erfahrung.

Stromab der Magdeburger Innenstadt, nach Häfen, Schleusenkanal, A2 und MLK-Trog wird die Elbe breiter und irgendwie norddeutscher. Der Pegel zeigt 1,60m. Als ich hier vor zwei Jahren gewesen bin waren es weniger als 0,60m.

Gegenwind und fiese Wellen

Als ich in Coswig zur Mittagspause anlege hat eine Gruppe Hannoveraner Paddler, die ebenfalls in Elster übenachtet hatte, bereits die Zelte aufgebaut und sitzt gemütlich beim Essen.
Vermutlich war es clever sehr früh zu starten, denn der Westwind wird im Laufe des Tages immer kräftiger. Kurz hinter Wittenberg steht der Wind zum erstenmal auf einem langen Stück direkt gegen die Strömung und erzeugt entsprechende Wellen. Da hilft auch Luthers strenger Blick auf die Elbe nicht.(Scherz eines Hannoveraner Paddlers: “Als Ruderer habe ich doch heute Glück, den ganzen Tag Rückenwind” – Hannoveraner eben)

Wenige Kilometer vor Rosslau geht es richtig los: Der Himmel verdunkelt sich, der Wind wird nochmal kräftiger, ich mache trotz Strömung kaum noch Fahrt über Grund und rette mich hinter die nächste Buhne. Vor dem einsetzenden Regen flüchte ich in den Wald und finde dort irgendwelche Ruinen zwischen morschen Bäumen. Bevor mich die Untoten verfolgen können wird der Himmel heller, der Wind schwächer und ich ruder weiter zu meinem Tagesziel, der Junkers-Paddelgemeinschaft in Dessau. Daß die Elbe unterhalb von Havelberg bei kräftigem Wind unangenehm werden kann wusste ich. Ich wundere mich, daß das auch schon auf der Mittleren Elbe so ist.

Das Mögliche

Heute ist ein guter und arbeitsreicher Tag. Ich finde das Ladekabel für die Kamera zwischen den Lebensmitteln wieder, es regnet nur am Nachmittag und ich kann mit einer Pflasterbandage der linken Hand verhindern, daß die erste Blase aufplatzt.

Mit dem Cheftrainer vom Mühlberger Ruderverein hatte ich gestern noch Verschiedenes erörtert. Unter anderem die dringend notwendige Entwicklung eines elektrisch unterstützten Ruderbootes (Rowdelec), bei der wir uns bezüglich des Patents noch nicht einigen konnten. Außerdem empfahl er mir als nächste Station den Kanuclub Harmonia in Elster. Der sei zwar etwas weiter aber zwischen Torgau und Elster gäbe es sonst keine anderen guten Möglichkeiten.

Also starte ich etwas früher, mache meine Mittagspause und kleinere Besorgungen in der schönen Stadt Torgau und habe einen arbeitsreichen Rudernachmittag. Trotz Unterstützung durch die Strömung sind die 74 Kilometer im Moment die gerade noch mögliche Tagesdosis.
Die Gierseilfähren nerven, insbesondere wenn sie ohne Rücksicht auf Verluste zum anderen Ufer ablegen kurz bevor man den Festmachpunkt des Seils erreicht (ganz rechte grosse gelbe Tonne, Fahrt-/Strömungsrichtung auf dem Bild von rechts nach links). Heute zwingt mich die Fähre Pretsch im letzten Moment zu einem Wechsel der Flussseite – sowas kann auch mal daneben gehen.

Kein Regen in der Mittagspause

Während ich in der Mittagspause durch die Innenstadt von Riesa gehe regnet es nicht. Trotzdem herrscht Tristesse.
Die Elbe wird breiter, die Landschaft flacher und die Uferlandschaft eintöniger. Jetzt geht es beim Rudern nicht mehr zuerst um Aufmerksamkeit für Strömungen, Wellen, Brücken, Tonnen oder Fähren sondern um Geduld, Ausdauer und den angemessenen Umgang mit den kleinen Zipperlein.
Auf dem Gelände des Ruderverein Mühlberg treffen am Nachmittag nach und nach die Paddler und Radfahrer zum Zelten ein. Für kleines Geld gibt es eine gute Liegemöglichkeit für das Boot und die nötigen Campingeinrichtungen. Über Corona Risiken scheinen sich vor allem die Gäste Gedanken zu machen.

Blaues Wunder

Dresden ist sehenswert zu Land, vom Wasser und aus der Luft. Ich hatte mal die Gelegenheit über der Stadt in geringer Höhe mit einem Motorsegler an der Elbe entlangzufliegen, das war genial.Beim Blauen Wunder komme ich an dem Dresdner Drachenboot Verein vorbei. Vor einigen Jahre hatte ich mich genötigt gefühlt hier an einem Drachenboot Rennen teilzunehmen, die vermutlich schlimmste Art sich auf dem Wasser fortzubewegen.*
Heute bin ich froh zu rudern und die richtigen Brückenbögen und keine Tonnen zu treffen. Zum Glück sind kaum Schiffe unterwegs. Ich muß zwei stromauf fahrenden Binnenschiffen und einigen Raddampfern ausweichen.

* an dieser Stelle fällt mir auf, daß schon wieder das Assoziieren von Anekdoten wie bei der Radtour zur Donau anfängt. Wenn das so weitergeht muß ich die Tour wg. Langeweile beenden.