In den Bergen

Mein GPS zeigte mir seit Beginn der Tour im Höhenprofil der Route neben der normalen “Welligkeit” eine steile Stufe von ca. 500m. Die Hoffnung, daß es sich dabei um einen Fehler des Geräts handeln könnte wird heute nicht bestätigt. Die insgesamt >1750m Höhenmeter und der kalte Wind aus Nord-West  – ab jetzt fahre ich mit langer Hose und dickem Trikot – machen das Fahren zu einem am ganzen Körper spürbaren Erlebnis und zum Test für den freien Willen.

Als die Höhe von 700-800m erreicht ist ändert sich der Landschaftscharakter und ich geniesse trotz der Mühen die Bilder der Berge und die karger werdende Vegetation.

Ein bis zwei Stunden beschäftigt mich folgende Situation: Vier Motorradfahrer aus Schwaben (die üblichen Rentner mit edlen, teuren BMWs im Stil von “wild und gefährlich” und mit “Schülerlotsen Jäckchen”) fahren an einer wunderschönen Stelle mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit an mir vorbei. Einer von ihnen hat eine GoPro Kamera auf dem Helm befestigt. Mich beschäftigt, was sich dieser Mensch auf seinen Videoaufnahmen ansehen möchte. Den ultimativen Unfall? Die Natur? Ich finde keine plausible Erklärung.

 

Inoffiziell

Beim Frühstück mit dem inoffiziellen Hüttenvermieter und seiner Frau werden die verschiedenen Streckenoptionen diskutiert und ich bekomme Tips für gute Übernachtungsmöglichkeiten, die aber leider aller ausserhalb der realistischen Reichweite liegen.

Überhaupt erlebe ich die Norweger als sehr hilfsbereit. Vor einigen Tage stehe ich am Strassenrand und fotografiere, als eine Frau anhält und fragt ob sie mir helfen könne. Vielleicht mache ich inzwischen auch einen bemitleidenswerten hilflosen Eindruck auf meine Mitmenschen

Nachdem sich meine alte Karte mit schön grossem Maßstab mehrfach als unzuverlässig bzgl. der Zeltmöglichkeiten/Hütten/Duschen erwiesen hat stelle ich auf die neue Karte um und fahre einen dort eingezeichneten Campingplatz an. Es stellt sich heraus, daß dieser nur noch privat und inoffiziell betrieben wird. Offenbar ist das norwegische Campingplatzgewerbe im Niedergang begriffen und wird zunehmend ein Teil der Schattenwirtschaft. Die Duschen funktionieren trotzdem tadellos.

Flachetappe

Der Elch heute war nur halb so schlau/scheu wie der Elch den ich gestern  kurz gesehen hatte. Nachdem wir uns beide ziehmlich erschrecken stürmt dieser Elch erstmal parallel zur Strasse davon und entscheidet sich erst später dafür in den Wald zu verschwinden. Sehr eindrucksvoll!

Eigentlich plane ich in Kongvinger zu übernachten um mich dort morgen mit Proviant zu versorgen. Ich frage nach dem Zeltplatz und finde mich nach etlichen weiteren Fragen an der Rezeption eines sehr durchschnittlichen aber dafür sehr sehr teuren Hotels wieder. Das kommt mir indisch vor und ich entschliesse mich zur Weiterfahrt. Zum Glück – es ist Sonntag – hat ein Mini Supermarkt geöffnet und ich kann meinen Proviant schon heute auffüllen.

Die kommenden 50km sind endlich mal flach und ich rolle im Abend Dämmerlicht mit Genuss in Richtung Norden. In der Entfernung sind schon die Berge zu erkennen, die mich in den nächsten Tage beschäftigen werden.

 

 

Sweet Memories

Die Fahrt in der Nähe zum schwedischen Dalsland erinnert mich an eine Kajaktour vor ca. 100 Jahren auf dem Dalslandkanal. Es ist immer noch genauso schön – auch auf der norwegischen Seite.

Langsam gewöhne ich mich an die üblichen und notwendigen praktischen Arbeiten des Draussenlebens. Ohne ein Zelt wäre die Tour praktisch nicht zu machen –  es gibt hier einfach zuwenig Alternativen.

Als ich an einem kleinen See vorbeifahre sehe ich auf der gegenüberliegenden Seite einen Elch. Kurze Zeit später bei einer schnellen Abfahrt sehe ich kurz einen weiteren Elch wie er sich in den Wald flüchtet. Hoffentlich sind alle Elche in Norwegen so schlau/scheu und flüchten von der Strasse weg – mit dem schweren Rad bei >30km/h hätte ich sonst wohl schlechte Karten.

Die unangenehmen Wahrheiten sind wenigstens schön verpackt – das hilft.

“on the right side of the border”

In der Nacht beginnt es zu regnen und es bleibt mir am späten Vormittag nichts anderes übrig als widerwillig bei Regen das Rad zu beladen und bei ordentlichem Landregen die ersten zwei Stunden zu fahren. Teilweise unbefestigte nasse Strassen, der Regen, Gegenwind und die schon bekannten Hügelchen reduzieren meine Reisegeschwindigkeit. Trotzdem macht das Fahren Spass. So habe ich es gewollt.

Als ich in Norwegen angekommen bin und bei einem Bauern um Trinkwasser bitte, gibt der mir einen Tip für einen guten Zeltplatz (gemäß dem Jedermannsrecht) und erklärt mir dann, dass ich nun “on the right side of the border” angekommen sei. So hatte ich das bisher noch nicht gesehen, werde es aber mal weiter beobachten.

Das Insektenschutzmittel Odomos kommt heute zum ersten Mal zum Einsatz. Nach dem Frühstück versuche ich zuerst mir damit die Zähne zu putzen (wer kommt eigentlich auf die Idee Zahnpasta in Mückenschutztuben abzufüllen?) und am Abend beim Zelten an  einem See nutze ich es bestimmungsgemäß.