Hier ist nicht der Schwarzwald!

Nachdem es gestern keine Wale zu sehen gab bekomme ich am Morgen das Geld für die Tour erstattet (“Walgarantie”) bevor ich mich auf den Weg zur Fähre zur Insel Senja mache.

Vor dem Büro wartet mit mir ein junger chinesischer Mann um Tickets für eine Tour zu buchen. Er spricht kaum Englisch und nutzt lächelnd die Sprachausgabe seines Smartphones zur Kommunikation. Er erfragt, daß ich aus Deutschland stamme und sucht danach ein Weile in seinem Smartphone herum. Dann bildet er eine selbst gesprochene Frage aus der ich die Worte “Schwarzwald” und “Nähe” meine heraushören zu können. Ich antworte kurz mit “no”. Weder befinden wir uns in der Nähe des Schwarzwalds, noch wohne ich dort und überhaupt habe ich keine Lust auf diese Form der Kommunikation.

Nach meiner Karte (mit recht großem Maßstab) soll es auf der Insel Senja hauptsächlich an der Küste entlanggehen – ich erwarte entspanntes Fahren auf Küstenstraßen und habe mich mal wieder getäuscht. Die “kleinen” Berge zwischen den Fjorden gehen von Meereshöhe auf 500m herauf (Schneereste) und gleich wieder herunter.

Die neueren Tunnel sind mit “Fahrrad-Warnung” versehen. Vor der Einfahrt in den Tunnel drücken Radfahrer einen Knopf und eine Warnlampe informiert Autofahrer von beiden Seiten des Tunnels, daß sie mit Radfahrern im Tunnel zu rechnen haben. In älteren Tunnels gibt es keine Warnung und keine Beleuchtung. Es ist ziehmlich gruselig in einem Tunnel ohne Beleuchtung – dessen Enden nicht zu sehen sind – mit dem Rad zu fahren. Ich werde meine Stirnlampe ab jetzt während des Tages griffbereit haben.

Am Abend finde ich einen wunderschönen Ort mit sehr schönem Hotel (Tip des “Norwegers” in Ørnes), fast ohne Wohnmobile und fast ohne deutsche Motorradfahrer. Offenbar tatsächlich ein Geheimtip für Norweger.

Keine Wale zu sehen

Zum Frühstück gibt es endlich die ersten blauen Lücken am sonst grauen Himmel. Nur gelegentlicher Regen mit Wind aus Süd-West und wenig Steigungen machen das Fahren leicht. Die Landschaft wird weiträumiger und offener und es gibt nur noch wenig Wald.

Immer häufiger sehe ich große Antennen Installationen (wahrscheinlich Langwelle) und Beobachtungsstationen – ein Zeichen dafür, daß ich mich “dem Ende der Welt” nähere.

Früh am Nachmittag erreiche ich bereits Andenes und nutze die Chance an einer Wal-Beobachtungstour teilzunehmen. Zwei Schiffe fahren etwa vier Stunde in einem  Gebiet häufiger Sichtungen der Pottwale und Orkawale herum ohne leider einen einzigen Wal zu Gesicht zu bekommen. Die kleinen Schiffe machen ordentliche Bewegungen in der starken Dünung – ich bekomme eine Salzwasserdusche vorne an der Reling stehend, andere Passagiere sind nach kurzer Zeit “unpässlich” und die kleinen Kinder (warum müssen die sowas mitmachen?) fangen an zu weinen.

kalt und grau

Der Tag beginnt mit wolkenverhangenem Himmel und endet mit ein paar Stunden Regen. Bei einem Zwischenstop rede ich länger mit einem jungen Norweger aus der Gegend – und beklage mich dabei über die Kälte. Der lacht und erklärt, daß hier jetzt für sie schönstes Sommerwetter sei. Die Maßstäbe sind verschieden und irgendwie hatte ich immer schon geahnt, daß es hier im Norden kälter werden würde. Der Wetterbericht für morgen lässt hoffen. Gelegentlicher Sonnenschein bei ca. 10 Grad.

Rückenwind

Um es positiv auszudrücken: die Lofoten Inseln sind touristisch stark erschlossen. Eine grandiose Landschaft – aber eben kein Geheimtip. Die Küstenstraßen sind sehr angenehm zu fahren und mit Rückenwind und trotz gelegentlichem Regen macht das Fahren heute wieder Spaß.

Besonders schön ist eine längere Nebenstrecke zur E10 auf der ich völlig ungestört bin. Auf der E10 selber schieben sich die Mietwagen, die Reisebusse und die Wohnmobile an mir vorbei. Am Nachmittag verstehe ich dann was die die Insassen der rollenden Altenheime hier eigentlich wollen: sie sind auf Wohnungssuche. Pech nur, daß die besten Lagen an der Nebenstrecke zu finden sind.

Lofoten

Beim Frühstück in Ørnes treffe ich einen älteren Radfahrer wieder, den ich schon am Tag vorher kurz gesehen hatte. Wie sich später herausstellt ist er Norweger aus Brønnøysund, der die Strecke Brønnøysund – Tromsø bereits “13 oder 14” mal mit dem Rad gefahren ist. Er hat die besten Strecken, die besten Übernachtungsmöglichkeiten und die Abfahrtszeiten der Fähren im Kopf. Er – wie auch andere Radfahrer – empfiehlt die Expressfähre von Ørnes nach Bodø und rät von der Weiterfahrt auf der “17” ab (landschaftlich nicht reizvoll, sehr anstrengend und gefährlich).

Mir ist das sehr Recht – meine Beine sind schwer  von den letzten Bergetappen. Also lege ich einen Fährentag bis Moskenes ein.  Die Linienfähren in Norwegen sind relativ günstig wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Die Herausforderung besteht darin herauszubekommen wann und wo sie fahren. Hier hilft weder mein Radreiseführer noch sind die Fahrpläne in Papierform oder im Internet für mich hinreichend verständlich.

Schon länger habe ich den Verdacht, daß meine GPS-Route (von einer Website für Radrouten) nicht wirklich von einem Radfahrer sondern eher von einem Motorradfahrer aufgezeichnet wurde. Der Verdacht wird weiter erhärtet als ich mit “dem Norweger” die weitere Strecke bespreche. Die geplante GPS-Route werde ich nicht mehr weiter nutzen und mich statt dessen an den Empfehlungen real existierender Radfahrer und der Papierkarten orientieren.

In Bodø verdöse* ich auf dem Marktplatz bei schönem Wetter die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre. Mit der Fahrt zur südlichen Spitze der Lofoten Inselgruppe (Røst, Værøy, Moskenes) fahre ich dem schlechten Wetter entgegen, das laut Vorhersage noch bis morgen andauern wird. 

* für Leser in Indien: “dösen” bedeutet “halb schlafend”