Caledonia Canal

Gestern war ein frustrierender Tag. Zunächst ging es über unangenehme Berge und am Nachmittag auf der Hauptstrasse am Loch Ness entlang. Froh Fort Augustus ohne Unfall erreicht zu haben gebe ich auf und suche mir früh ein Bett im Hostel.

Heute stelle ich fest, dass es für das Radfahren entlang der Lochs überhaupt nur zwei Optionen gibt: entweder selbstmörderische Fahrt entlang der Hauptstrasse oder auf der anderen Seite Fahren auf anspruchsvollen Mountainbike Strecken. Ich mag beides nicht.

Dafür ist die Fahrt zwischen den Seen entlang der Kanalstrecken wunderschön. Ich geniesse das einfache Radfahren und gleichzeitig ein tolles Bergpanorama. Diese Kombination ist einzigartig.

Hinter der Schleusentreppe vor Fort William (10 Schleusentore, wenn ich mich nicht verzählt habe) beginnt der Bereich der See. Der augenscheinlich grosse Tidenhub lässt eine interessante Uferlandschaft entstehen.

Zum erstenmal seit den Niederlanden nutze ich wieder das Zelt. Die Siedlungen liegen weiter auseinander und eine sinnvolle Alternative ist nicht in der Nähe als es Zeit für die Suche nach einer Unterkunft ist.

Im Zelt sehe mir die Karten an und habe keinen guten Plan für die Strecke der nächsten Tage. Einerseits komme ich langsamer voran als ich es gewohnt bin (Müdigkeit, Strassenverhältnisse, Wind). Andererseits reizt mich die Fahrt durch Glasgow und quer durchs Land in Richtung Newcastle nicht besonders. Ich werde erstmal weiter an der Küste bleiben und auf eine gute Eingebung für den Rückweg nach Hause warten.

Highlands II

In Tongue habe ich in einem Hostel übernachtet. Die Hostel sind vergleichbar zu unseren Jugendherbergen. Jugendliche habe ich aber in den Hostels ausser in Aberdeen (eine deutsche Schulklasse) noch nicht angetroffen. Dafür aber begegne ich etlichen Rentnern, die wandernd oder mit dem Rad oder Motorrad unterwegs sind.

Nicht immer gelingt es mir ein Einzelzimmer zu bekommen. In Tongue teilen sich vier ältere Herren ein Dormatry, davon kommen zwei aus Deutschland (BMW aus Osnabrück, Fahrrad aus Gifhorn) und zwei aus UK. Ich werde flexibler hinsichtlich meiner Komfortansprüche.

Die Strecke durch Sutherland – etwa die ersten 40km – ist traumhaft schön. Die kurvenreiche einspurige Strasse führt zwischen den Bergen (“Ben Loyal”) an verschiedenen Seen vorbei.

In der ersten Stunde kommen mir in Abständen die neusten Sport- und Supersportwagen entgegen. Viele schöne Autos aus dem Konzern, aber auch Autos von Lotus und Ferrari. Der Lambo nimmt die gesamte Strassenbreite ein und es ist offensichtlich, dass es eine eher frustrierende Erfahrung ist, das Auto auf diesem Kurs zu bewegen.

So deplatziert diese Autos technisch und atmosphärisch in dieser Umgebung einerseits sind – etwas Faszination üben diese Autos doch auf mich aus: nutzlose Artefakte in einer nutzlosen Umgebung. Vielleicht sollte man sie als Kunstwerke betrachten.

Auf der Strecke gibt es gemäss Karte erst im Crask Inn die nächste Versorgungsmöglichkeit. Ich plane dort meine Mittagspause zu machen. Im Gastraum werde ich überschwänglich begrüsst und zum Essen eingeladen – irgendetwas ist hier komisch. Ich bin in ein “Kirchencafe” geraten. Am Vormittag (heute ist Donnerstag) hat hier der monatliche Gottesdienst stattgefunden und die Gemeinde sitzt jetzt zum Mittagessen zusammen. Ich habe keine Wahl, esse Schottische Graupensuppe mit Gemüse, werde über den Unterschied zwischen Harmonium und “American Organ” aufgeklärt und lass mir erklären, wie die Schottische Kirche in den Besitz dieses Inns mitten in den Highlands gekommen ist.

Bald gibt es erste kleine Waldstücke und schliesslich sind die Hügel wieder vollständig bewaldet. Jetzt weiss ich, wo die Kamikaze-Holztrucks, die ich gestern in der noch baumlosen Gegend gesehen hatte, ihr Holz abholen.

Highlands

Bei strahlend blauem Himmel fahre ich entlang der Küste in Richtung Westen. Die ersten 40km geht es zwischen Schafs- und Kuhweiden ohne grössere Steigungen so zügig wie es bei dem Gegenwind eben möglich ist voran. Dann ändert sich das Landschaftsbild: Die intensive Landwirtschaft endet, die Hügel werden zunehmend höher und Siedlungen und Strassen werden weniger. Ich erreiche die North Highlands.In dem Masse wie die Landschaft schöner und eindrucksvoller wird, nehmen auch die aus dem letzten Jahr bekannten Nachteile zu: Rotten von Motorradfahrern mit Helmkameras, Wohnmobile und rücksichtslose Autofahrer. Hier grüsst mich – anders als in Shetland – niemand mehr. Sogar die grossen Holztransporter, die ich im letzten Jahr in Schweden und Norwegen so gefürchtet hatte, sind wieder da. (Woher kommt bloss das Holz? Ich sehe hier keine Bäume.)Trotzdem überwiegt die Freude an der wunderschönen Landschaft und der Spass am Radfahren. So hatte ich mir die Highlands vorgestellt. Ich bin gespannt auf die kommenden Tage.

Versenkte Schiffe

Fast jeder, mit dem ich über meine Reise in den letzten Tagen gesprochen habe, wusste zu berichten, dass die Orkney Inseln so ganz anders als die Shetland Inseln seien – mir würde das sicher gefallen.

Trotzdem spare ich mir die Umrundung von Orkney Mainland und fahre direkt von Kirkwall zum Anleger der Passagierfähre in Burwick. Ich durchfahre eine zersiedelte Landschaft mit viel Landwirtschaft und mächtigen Ölplattformen zwischen den Inseln. Die Shetland Inseln waren schöner.

Zu Beginn des zweiten Weltkriegs sind Deutsche U-Boote zwischen den vielen kleinen Inseln hindurchgefahren und gefährdeten damit Britische Kriegsschiffe.

Zunächst wurden die Passagen durch gezieltes Versenken von Schiffen eingeschränkt, später wurden durch Kriegsgefangene Wälle aufgeschüttet und befestigt um die Durchfahrten unmöglich zu machen.

Italienische Kriegsgefangene bauten dabei eine kleine Kapelle neben einer dieser sogenannten Churchill-Barrieren. Diese “Italienische Kapelle” ist jetzt eines der Orkney-Touristenziele für Busreisende. Als ich dort vorbeifahre drängen sich gerade zwei Busladungen Menschen in den winzigen Raum.

Diese beiden Busladungen treffe ich später auf der kleinen Passagierfähre von Burwick nach John o’Groats wieder, wo sie sich diesmal mit zwei weiteren Busladungen unter Deck drängen. Es sind insgesamt 180 Personen, wie mir der Schiffsführer froh berichtet, als ich noch alleine vor Ankunft der Busse mein Rad auf dem Schiff verstaue. Ich höre sächselndes Deutsch. Auf eine Busladung wartet in John o’Groats ein Reisebus aus Aschersleben.

Auf den letzten Kilometern habe ich kräftigen Gegenwind und werde müde. Trotzdem bin ich sehr froh nicht in dem Bus aus Aschersleben gedrängt sitzen zu müssen.

Mehr Seehunde

Am vorherigen Abend will ich die kalte Hütte noch ein wenig aufwärmen. Zwei bis drei Stunden versuche ich mit dem bereitgestellten Torf in dem kleinen Ofen möglichst viel Wärme zu erzeugen und habe nur bescheidenen Erfolg. Ich lerne, dass es in früheren Zeiten sehr aufwändig gewesen sein muss eine einfache Hütte nur mit Torf auf angenehme Temperaturen zu bringen, selbst wenn es keine Einschränkungen beim Brennmaterial gab.

Nach der kühlen Nacht und bei heute strahlend blauem Himmel fahre ich am Vormittag über Nebenstrassen zurück nach Lerwick.

In einer abgelegenen Bucht sehe ich zwei grosse Gruppen Seehunde. Von meiner Position oberhalb der Bucht kann ich die grossen Tiere in dem klaren Wasser schwimmen sehen.

In Lerwick sehe ich mir das schön gestaltete Shetland-Museum am Hafen an bevor ich für die Fähre zu den Orkney Inseln einchecke.

Ich kann kaum glauben, dass ich eine ganze Woche hier verbracht habe. Streckenweise war das Fahren mit dem schweren Rad der vielen Steigungen und des Windes wegen wirklich nervig. Die Schönheit der Insel, die besonderen Unterkünfte und die Freundlichkeit der Menschen wiegen das aber leicht auf. Mein erster Eindruck, dass die Shetlands ein “Miniatur-Norwegen” seien, hat sich in jeder Hinsicht bestätigt. Diese Woche ist bisher der Höhepunkt der Reise und es ist schade die Insel wieder zu verlassen.