Versenkte Schiffe

Fast jeder, mit dem ich über meine Reise in den letzten Tagen gesprochen habe, wusste zu berichten, dass die Orkney Inseln so ganz anders als die Shetland Inseln seien – mir würde das sicher gefallen.

Trotzdem spare ich mir die Umrundung von Orkney Mainland und fahre direkt von Kirkwall zum Anleger der Passagierfähre in Burwick. Ich durchfahre eine zersiedelte Landschaft mit viel Landwirtschaft und mächtigen Ölplattformen zwischen den Inseln. Die Shetland Inseln waren schöner.

Zu Beginn des zweiten Weltkriegs sind Deutsche U-Boote zwischen den vielen kleinen Inseln hindurchgefahren und gefährdeten damit Britische Kriegsschiffe.

Zunächst wurden die Passagen durch gezieltes Versenken von Schiffen eingeschränkt, später wurden durch Kriegsgefangene Wälle aufgeschüttet und befestigt um die Durchfahrten unmöglich zu machen.

Italienische Kriegsgefangene bauten dabei eine kleine Kapelle neben einer dieser sogenannten Churchill-Barrieren. Diese “Italienische Kapelle” ist jetzt eines der Orkney-Touristenziele für Busreisende. Als ich dort vorbeifahre drängen sich gerade zwei Busladungen Menschen in den winzigen Raum.

Diese beiden Busladungen treffe ich später auf der kleinen Passagierfähre von Burwick nach John o’Groats wieder, wo sie sich diesmal mit zwei weiteren Busladungen unter Deck drängen. Es sind insgesamt 180 Personen, wie mir der Schiffsführer froh berichtet, als ich noch alleine vor Ankunft der Busse mein Rad auf dem Schiff verstaue. Ich höre sächselndes Deutsch. Auf eine Busladung wartet in John o’Groats ein Reisebus aus Aschersleben.

Auf den letzten Kilometern habe ich kräftigen Gegenwind und werde müde. Trotzdem bin ich sehr froh nicht in dem Bus aus Aschersleben gedrängt sitzen zu müssen.

Mehr Seehunde

Am vorherigen Abend will ich die kalte Hütte noch ein wenig aufwärmen. Zwei bis drei Stunden versuche ich mit dem bereitgestellten Torf in dem kleinen Ofen möglichst viel Wärme zu erzeugen und habe nur bescheidenen Erfolg. Ich lerne, dass es in früheren Zeiten sehr aufwändig gewesen sein muss eine einfache Hütte nur mit Torf auf angenehme Temperaturen zu bringen, selbst wenn es keine Einschränkungen beim Brennmaterial gab.

Nach der kühlen Nacht und bei heute strahlend blauem Himmel fahre ich am Vormittag über Nebenstrassen zurück nach Lerwick.

In einer abgelegenen Bucht sehe ich zwei grosse Gruppen Seehunde. Von meiner Position oberhalb der Bucht kann ich die grossen Tiere in dem klaren Wasser schwimmen sehen.

In Lerwick sehe ich mir das schön gestaltete Shetland-Museum am Hafen an bevor ich für die Fähre zu den Orkney Inseln einchecke.

Ich kann kaum glauben, dass ich eine ganze Woche hier verbracht habe. Streckenweise war das Fahren mit dem schweren Rad der vielen Steigungen und des Windes wegen wirklich nervig. Die Schönheit der Insel, die besonderen Unterkünfte und die Freundlichkeit der Menschen wiegen das aber leicht auf. Mein erster Eindruck, dass die Shetlands ein “Miniatur-Norwegen” seien, hat sich in jeder Hinsicht bestätigt. Diese Woche ist bisher der Höhepunkt der Reise und es ist schade die Insel wieder zu verlassen.

Seevögel und ein Seehund

Gestern bin ich in Lerwick durch die Strassen gegangen, habe die kleinen Läden erkundet und es mir sonst gut gehen lassen.

Eigentlich hätte ich am Sonntag nach Kirkwall weiterfahren wollen, muss dann aber feststellen, dass die Fähre nach Kirkwall erst am Montag wieder fahren wird, mir damit drei Tage bleiben um zur Südspitze und zurück nach Lerwick zu fahren. Das kommt davon, wenn man sich nicht rechtzeitig um Abfahrtzeiten von Fähren kümmert.

Bevor ich mich dem Gegenwind aussetze, mache ich einen Schlenker zum Hafen in Lerwick. Ein Seehund liegt dort mitten in der Stadt auf einer Betonrampe und lässt sich von Touristen mit Kameras nicht im geringsten stören.

Die Fahrt nach Sumburgh ist kurz und hügelig und ich erreiche das “Betty Mouat’s Böd” am frühen Nachmittag. Zur gleichen Zeit kommt auch ein Niederländisches älteres Paar an. Die Beiden sind heute morgen in Lewrick mit ihren Elektrorädern vor mir losgefahren. Sie sind mit ihrer Tour in Newcastle gestartet, nutzen je zwei Akkupacks pro Tag zur Unterstützung beim Fahren und unternehmen regelmässig grössere Radreisen.

Den weiteren Nachmittag verbringe ich beim Leuchtturm “Sumburgh Head” mit grossartiger Aussicht auf Meer und Klippen. Ohne Erfolg halte ich Ausschau nach Walen, die man hier häufiger beobachten können soll.

Statt der Wale beobachte ich Seevögel. Nachdem mir ein Vogelkundiger mit einem Bestimmungsbuch etwas Unterstützung gibt, kann ich auch einige der Vögel benennen.

Die Souvenirläden sind voll mit “Puffins made in Indonesia”. Jetzt sehe ich endlich auch einige Papageitaucher (Puffins) im Original.

Besonders gefallen mir aber die grossen Mantelmöwen (Great Black-backed Gulls) mit schwarzen Flügeloberseiten und die ähnlich grossen Basstölpel (Gannets) mit den schwarzen Flügelspitzen. Ich sehe eine Dreierformation Basstölpel, die im Gleitflug weit hinausfliegen um sich dann vom Wind wieder in Richtung der Klippen zu den Aufwindzonen treiben lassen. Ein beeindruckendes Schauspiel.

Kräftiger Wind aus Süd

Der Radfahrkollege im Hostel empfiehlt mir in Voe zu übernachten und nicht die 80km bis Lerwick an einem Tag zu fahren. Bedenke ich den zu erwartenden kräftigen Gegenwind, dann ist der Vorschlag nicht so abwegig.

Das Radfahren gegen den Wind, der ungehindert über das baumlose Land bläst, und über die vielen Anstiege auf der bereits bekannten Strecke bis Lerwick ist so mühsam wie befürchtet. Da hilft nur Geduld, Kopf runter und kleine Übersetzung. Vor Lerwick kommt noch starker Verkehr auf der Hauptstrasse hinzu. Das einzig Gute, was sich zu dieser Fahrerei sagen lässt ist, dass es nicht regnet.

Zum Lohn bekomme ich im 5-Sterne Hostel in Lerwick ein sehr angenehmes Zimmer. Nach vier Wochen ziehe ich Bilanz: 23Tage auf dem Rad; 2300km mit 18000 Höhenmetern zurückgelegt; die Strecke bis Aberdeen teilweise interessant aber überwiegend frustrierend; dafür überwiegend schöne Erlebnisse auf den Shetlands.

Der nördlichste Punkt der Reise

Bevor ich bis zum nördlichsten Punkt der Reise, dem kleinen Strand bei der Siedlung Norwik fahre, besuche ich das Boots-Museum “Unst Boat Haven” in Haroldswick. Ein älterer, sehr freundlicher Herr erläutert mir Bauweise und Ursprung der Shetland Boote und die Verwandtschaft zu den Norwegischen Faerings.

Die Boote wurden gerudert, gesegelt und später mit kleinen Aussenbordmotoren (1-2PS) gefahren. Sowohl Ruderregatten wie auch Segelregatten wurden damit ausgetragen. Es gibt Ausstellungsstücke und Bücher, die abenteuerliche Fahrten mit diesen Booten über die Nordsee und die Ozeane belegen.

Der freundliche Herr erzählt weiter von der jüngeren Geschichte der Insel Unst und ich verstehe, warum es so viele verfallene Hausruinen in der Landschaft gibt. In den besten Zeiten, als Fischerei und Landwirtschaft ein bescheidenes aber akzeptables Leben ermöglichten, lebten hier bis zu 3000 Menschen. Heute leben noch 600 Menschen dauerhaft auf der Insel.

Das Radfahren entspricht einem guten Vatertags Ausflug. Zurück im Hostel in Uyeasound treffe ich seit längerer Zeit wieder auf einen Radreisenden. Für Unterhaltung ist gesorgt.