Butterfahrt im Ruderboot statt Kutterfahrt im Abendrot

Ende Mai 2021 hatte ich “Southern Cross” nach Maasholm gebracht und dort in einer Scheune untergestellt. Einen Monat später ist es soweit, daß eine erste Fahrt auf der Ostsee stattfinden kann.

Am Freitag vormittag holen wir das Boot aus der Scheune, lassen es an der Slipanlage im Hafen Maasholm ins Wasser und befüllen sechs der zwölf Wasser(ballast)kanister. Im Vergleich zu einem Kayak, Novecento oder einem Gig-Ruderboot ist die Vorbereitung und der Umgang mit diesem Boot aufwändig.

Nach einer kurzen Proberunde auf der Schlei legen wir das Boot in eine Box zwischen die vielen Motor-/Segelyachten und üben das Manövrieren im Hafen und das Festmachen. Das Boot, obwohl klein und unscheinbar im Vergleich zu den Yachten, wird mit Interesse zur Kenntnis gekommen. Mehrfach erzählen wir die Geschichte des Bootes.Bei schwachem westlichem Wind rudern wir nachmittags zu dritt (2X+) etwa zwei Stunden in nordöstliche Richtung auf die Ostsee hinaus. Die Geschwindigkeitsanzeige des Log zeigt 3-3.8kn. Gemäß GPS beträgt die Geschwindigkeit 6-7km/h über Grund. Der Rückweg nach Schleimünde wird anstrengender: Nur mit Mühe erreichen wir noch die 3kn durchs Wasser, unsere Geschwindigkeit über Grund geht auf 4-5km/h zurück. Zurück in Maasholm haben wir das Gefühl relativ viel Arbeit für die gut 20km lange Strecke geleistet zu haben.

Für den Samstag haben wir uns vorgenommen die Grenze von Deutschem und Dänischem Küstengewässer zum internationalen Gewässer bei 54 Grad 44’17” N 10 Grad 10’14” E zu erreichen, dort eine zollfreie Pause einzulegen und auf gleichem Weg zurückzukehren. Bei schwachem Wind aus wechselnden Richtungen fahren fast alle Segelboote unter Motor und wir sollten als Ruderboot vor Schleimünde Vorfahrt geniessen können – allein die Welt ist nicht so und unser Boot ist klein und schwach. Jeder von uns muß außerdem feststellen, daß es nicht einfach ist das kleine Boot ohne sichtbare Landmarken nur mit Kompass und GPS auf Kurs zu halten. Nach drei Stunden (mit zwei Steuermannswechseln) erreichen wir mit kleinen Umwegen das Ziel. Mit dem Kocher wird zum ersten Mal Wasser für “Instant Pasta Bolognese” gekocht. Nach dem händisch gesteuerten Schlangenlinienkurs vom Vormittag wird der Autopilot für die Rückfahrt angeschlossen und mit der Pinne verbunden. Das Dänische Telefonnetz heißt uns willkommen. Eine Ruderfreundin findet heraus, daß einige AIS-Aussendungen der “Southern Cross” unter “https://www.vesselfinder.com/de/?mmsi=211180570” gefunden werden können. Ich hatte schon befürchtet, daß der AIS Sender defekt sei. Das Wasser ist glatt und wir spüren eine leichte Dünung. Wenige Boote/Schiffe und die Deutsche Küste wie die Dänische Insel Aerö sind nur entfernt am Horizont zu sehen. Ein toller Moment!


Bei der Rückfahrt zeigt sich, daß der Autopilot eine sehr nützliche Einrichtung ist. Der Steuermann muß nicht die ganze Zeit in unbequemer Haltung den Kurs korrigieren sondern kann sich für einen Moment in der Kabine hinlegen oder die entfernte Küste mit dem Fernglas nach Landmarken absuchen. Ich frage mich, wie die Vorbesitzer der Southern Cross ohne Autopilot auf den langen Strecken einen geraden Kurs einhalten konnten.
Zweimal sehen wir Tümmler bevor wir nach etwa zwei Stunden Rudern wieder in die Schlei einfahren.Das Anlegen im Hafen verläuft etwas organisierter als beim ersten Mal. Der entscheidende Trick ist, daß einer der beiden Ruderer sehr früh im Hafen die Skulls aus den Dollen nimmt, den Peikhaken bereithält und dem anderen Ruderer nicht in die Quere kommt wenn es eng wird.
Mein technisches Fazit: AIS funktioniert, Autopilot funktioniert und ist sehr nützlich, Pasta Essen in der Pause funktioniert, irgendeine Unterstützung spontaner Kontaktaufnahme (QR-Code am Boot oder Visitenkarte) wäre praktisch, Rudern ist anstrengend, die Batterie hat an einem sonnigen Tag und ohne Nachtbetrieb durchgängig 99-100% Ladezustand, die Ruderpinne ist zu verbessern (Pinnenausleger), bessere Kenntnis auch schwacher aktueller Strömungen wäre gut, eine Überfahrt von Schleimünde nach Marstal bei westlichem Wind ist möglich.

Eine aufregende Sache: Ein so kleines Boot auf einem so großen Meer!