Rätsel gelöst

In Mühlberg wurde ich von den Ruderern des Vereins angesprochen, daß gestern schon einmal ein einzelner Ruderer dort gewesen sei. Sein Boot sei aber ganz schmal gewesen und er hätte 50kg Gepäck auf dem Deck des Bootes befestigt gehabt.
Einen Tag später erzählten mir die Hannoveraner Paddler während der Mittagspause, sie hätten einen Ruderer gesehen, der hätte aber viel kürzere Ruder gehabt, als die die ich hätte und deuten dabei etwa die Länge eines Auslegers an.
Als ich in Magdeburg durch die Domfelsen fuhr konnte ich mir nicht vorstellen, daß hier ein völlig überladenes 100kg Skiff ohne zu kentern durchfahren kann. Mir erschien das alles sehr mysteriös und ich erwartete nicht dieses Ruderphantom noch mit eigenen Augen zu sehen.

Heute morgen nach den ersten 10 Kilometern sehe ich zwischen zwei Buhnen ein Ruderboot und ein Paar Skulls liegen. Mein erster Gedanke ist, daß das ein Let-row (ein gescheiterter Versuch des Kajak Herstellers Lettman ein Ruderboot anzubieten) sein könnte. Mit einer schnellen Wende und ein paar Schlägen stromauf komme ich der Sache näher und bin überrascht und beeindruckt. Es ist ein Niederländisches volans2 mit Rollausleger. In der “Konzeptphase” von Novecento hatte ich mir auch dieses Boot angesehen. (Rollausleger -> geringe Nickmomente -> kürzeres und breiteres Boot -> geringere benetzte Oberfläche -> geringerer hydrodynamischer Widerstand bei Wanderfahrtgeschwindigkeit & mehr Stabilität) Der Clou sind die Spiegel und das “Cockpit”: weil Sitz und damit der Augpunkt während des Ruderzug unverändert zum Boot bleiben können Spiegel und Navi ihre volle Wirkung entfalten.
Solange das Wasser glatt ist, ist dieses Boot sicher schneller als Novecento. Durch den hohen Schwerpunkt ist es aber in unruhigem Wasser und bei Wellen auch schwieriger zu rudern. Der Ruderkollege trägt aus gutem Grund seine Rettungsweste, während ich meine Rettungsweste unter Deck verstaut habe.
Es ist das erstemal seit ich mit Novecento unterwegs bin, daß ich einen Ruderer treffe, der solo mit komplettem Gepäck auf längerer Fahrt unterwegs ist.

Schön und Langweilig

Blauer Himmel, ein leichter Wind und angenehme Temperaturen bestimmen den Tag. Es ist schön auf der Elbe bei diesen Bedingungen und glattem Wasser dahinzugleiten. Nach den ersten zwanzig Kilometern kommt zu der Schönheit die Langeweile dazu. Manchmal überwiegt die Langeweile die Schönheit. Dann wird es langweilig schön, manchmal ist es schön langweilig, manchmal vertreibe mir die Zeit mit der Vorstellung auf der Donau zu sein und manchmal mache ich Pause.In Tangermünde scheinen mehrere Flusskreuzfahrtschiffe fest zu liegen. Eine Folge der Corona Pandemie? Und ich kann den Turm des Havelberger Doms sehen, vermutlich wegen des ein Meter höheren Wasserstandes im Vergleich zur letzten Elbefahrt.

Bootsgasse für Binnenschiffe

Gestern bei der Abfahrt in Dessau hatte ich noch eine nette Unterhaltung mit einem Paddler der JPG. Er klärte mich über die Ruinen vor Rosslau auf (Brücken zu Testzwecken), das Leben in Dessau (Rentnerstadt wie Görlitz, aber ohne schöne Gebäude) und gab u.a. Tips für die stromauf Befahrung der Havel (automatische, zentral gesteuerte und langsame Schleusen), falls mich in Havelberg der Westwind nerven sollte.

Um in Aken in der Mittagspause ein paar Lebensmittel einzukaufen – Samstag Mittag! – mußte ich eine längere Wanderung unternehmen. In der Innenstadt hatte nur ein Dönerladen und eine Apotheke geöffnet für alles was Menschen wirklich brauchen. Eine noch längere Wanderung war am Abend in Schönebeck fällig.

Nach drei Kilometern komme ich heute an einem Wasserwanderrastplatz mit guter Anlegemöglichkeit vorbei. Hätte ich davon gewusst, ich hätte mir in Schönebeck Unerfreuliches erspart (u.a. die seltsamen Typen vom Schönebecker Ruderverein). Der Jübermann Atlas “Elbe 1” ist ganz praktisch, die Angaben zu Vereinen, Pensionen und Zeltplätzen sind aber leider unzuverlässig. Dafür sind persönliche aktuelle Tips immer hilfreich.

Die Durchfahrt durch Magdeburg ist interessant. Stromauf der Innenstadt sind viele Motorboote unterwegs. Die eine Hälfte der Motorboote ist einfach so zum Sonntagsausflug unterwegs. Die andere Hälfte der Motorboote ist auch zum Sonntagsausflug unterwegs, hat aber zusätzlich ein Megaphon dabei und fährt neben einem Kippelboot mit zwei oder vier/fünf Kindern. Wie auch immer, Hauptsache den Leuten macht das Motorbootfahren Spaß.

Im Bereich der Innenstadt warnt der Jübermann Atlas vor Domfelsen!!, Strombrückenfelsen!! und Herrenkrugfelsen. In diesen Bereichen ist das Fahrwasser schmal und die Strömungsgeschwindigkeit hoch, eine Art Bootsgasse für Binnenschiffe. Mit Respekt, viel Gefühl und wenig Kraft auf den Skulls (das Boot bleibt gerade noch steuerbar) lasse ich mich durch die Engstellen spülen. Hier macht mich Rudern ohne Kraft tatsächlich schneller. Eine neue Erfahrung.

Stromab der Magdeburger Innenstadt, nach Häfen, Schleusenkanal, A2 und MLK-Trog wird die Elbe breiter und irgendwie norddeutscher. Der Pegel zeigt 1,60m. Als ich hier vor zwei Jahren gewesen bin waren es weniger als 0,60m.

Gegenwind und fiese Wellen

Als ich in Coswig zur Mittagspause anlege hat eine Gruppe Hannoveraner Paddler, die ebenfalls in Elster übenachtet hatte, bereits die Zelte aufgebaut und sitzt gemütlich beim Essen.
Vermutlich war es clever sehr früh zu starten, denn der Westwind wird im Laufe des Tages immer kräftiger. Kurz hinter Wittenberg steht der Wind zum erstenmal auf einem langen Stück direkt gegen die Strömung und erzeugt entsprechende Wellen. Da hilft auch Luthers strenger Blick auf die Elbe nicht.(Scherz eines Hannoveraner Paddlers: “Als Ruderer habe ich doch heute Glück, den ganzen Tag Rückenwind” – Hannoveraner eben)

Wenige Kilometer vor Rosslau geht es richtig los: Der Himmel verdunkelt sich, der Wind wird nochmal kräftiger, ich mache trotz Strömung kaum noch Fahrt über Grund und rette mich hinter die nächste Buhne. Vor dem einsetzenden Regen flüchte ich in den Wald und finde dort irgendwelche Ruinen zwischen morschen Bäumen. Bevor mich die Untoten verfolgen können wird der Himmel heller, der Wind schwächer und ich ruder weiter zu meinem Tagesziel, der Junkers-Paddelgemeinschaft in Dessau. Daß die Elbe unterhalb von Havelberg bei kräftigem Wind unangenehm werden kann wusste ich. Ich wundere mich, daß das auch schon auf der Mittleren Elbe so ist.

Das Mögliche

Heute ist ein guter und arbeitsreicher Tag. Ich finde das Ladekabel für die Kamera zwischen den Lebensmitteln wieder, es regnet nur am Nachmittag und ich kann mit einer Pflasterbandage der linken Hand verhindern, daß die erste Blase aufplatzt.

Mit dem Cheftrainer vom Mühlberger Ruderverein hatte ich gestern noch Verschiedenes erörtert. Unter anderem die dringend notwendige Entwicklung eines elektrisch unterstützten Ruderbootes (Rowdelec), bei der wir uns bezüglich des Patents noch nicht einigen konnten. Außerdem empfahl er mir als nächste Station den Kanuclub Harmonia in Elster. Der sei zwar etwas weiter aber zwischen Torgau und Elster gäbe es sonst keine anderen guten Möglichkeiten.

Also starte ich etwas früher, mache meine Mittagspause und kleinere Besorgungen in der schönen Stadt Torgau und habe einen arbeitsreichen Rudernachmittag. Trotz Unterstützung durch die Strömung sind die 74 Kilometer im Moment die gerade noch mögliche Tagesdosis.
Die Gierseilfähren nerven, insbesondere wenn sie ohne Rücksicht auf Verluste zum anderen Ufer ablegen kurz bevor man den Festmachpunkt des Seils erreicht (ganz rechte grosse gelbe Tonne, Fahrt-/Strömungsrichtung auf dem Bild von rechts nach links). Heute zwingt mich die Fähre Pretsch im letzten Moment zu einem Wechsel der Flussseite – sowas kann auch mal daneben gehen.