Kleine Ostseeradtour zur vorsichtigen Gewöhnung an die Normalität

Gemeinsam mit Siegrid habe ich endlich wieder eine Radtour unternommen. Nach dem Rückgang der Corona Infektionsraten und nachdem ich eine zweite Impfung bekommen hatte, wollten wir uns vorsichtig wieder an ein normaleres Leben gewöhnen. Der Ausgangs- und Endpunkt der Radtour war Flensburg. Die Tagesetappen hatten wir kurzfristig in Abhängigkeit der Verfügbarkeit von Übernachtungsmöglichkeiten (Hauptsaison) so gewählt, dass wir vor und nach der Mittagspause jeweils 2-3 Stunden fahren konnten.

Unterwegs war zwischen uns ein häufiges Gesprächsthema die Vorzüge und Nachteile von E-Bikes, besonders wenn wir mit unseren beladenen Rädern im kleinen Gang bei Gegenwind und sengender Hitze eine Steigung hinauffuhren und dabei von E-Bikes zur Seite geklingelt wurden.


Gut gefallen hat uns Flensburg, unsere Unterkunft in Lütjenburg, das Fahren und das Baden an der Küste Lollands, die Fährfahrten und unser Ruhetag auf Aerö. Dem Alter, in dem wir bei gemeinsamer Fahrt in Jugendherbergen oder Hostels übernachten wollen oder eine große Portion Softeis essen können, scheinen wir inzwischen entwachsen zu sein.

Butterfahrt im Ruderboot statt Kutterfahrt im Abendrot

Ende Mai 2021 hatte ich “Southern Cross” nach Maasholm gebracht und dort in einer Scheune untergestellt. Einen Monat später ist es soweit, daß eine erste Fahrt auf der Ostsee stattfinden kann.

Am Freitag vormittag holen wir das Boot aus der Scheune, lassen es an der Slipanlage im Hafen Maasholm ins Wasser und befüllen sechs der zwölf Wasser(ballast)kanister. Im Vergleich zu einem Kayak, Novecento oder einem Gig-Ruderboot ist die Vorbereitung und der Umgang mit diesem Boot aufwändig.

Nach einer kurzen Proberunde auf der Schlei legen wir das Boot in eine Box zwischen die vielen Motor-/Segelyachten und üben das Manövrieren im Hafen und das Festmachen. Das Boot, obwohl klein und unscheinbar im Vergleich zu den Yachten, wird mit Interesse zur Kenntnis gekommen. Mehrfach erzählen wir die Geschichte des Bootes.Bei schwachem westlichem Wind rudern wir nachmittags zu dritt (2X+) etwa zwei Stunden in nordöstliche Richtung auf die Ostsee hinaus. Die Geschwindigkeitsanzeige des Log zeigt 3-3.8kn. Gemäß GPS beträgt die Geschwindigkeit 6-7km/h über Grund. Der Rückweg nach Schleimünde wird anstrengender: Nur mit Mühe erreichen wir noch die 3kn durchs Wasser, unsere Geschwindigkeit über Grund geht auf 4-5km/h zurück. Zurück in Maasholm haben wir das Gefühl relativ viel Arbeit für die gut 20km lange Strecke geleistet zu haben.

Für den Samstag haben wir uns vorgenommen die Grenze von Deutschem und Dänischem Küstengewässer zum internationalen Gewässer bei 54 Grad 44’17” N 10 Grad 10’14” E zu erreichen, dort eine zollfreie Pause einzulegen und auf gleichem Weg zurückzukehren. Bei schwachem Wind aus wechselnden Richtungen fahren fast alle Segelboote unter Motor und wir sollten als Ruderboot vor Schleimünde Vorfahrt geniessen können – allein die Welt ist nicht so und unser Boot ist klein und schwach. Jeder von uns muß außerdem feststellen, daß es nicht einfach ist das kleine Boot ohne sichtbare Landmarken nur mit Kompass und GPS auf Kurs zu halten. Nach drei Stunden (mit zwei Steuermannswechseln) erreichen wir mit kleinen Umwegen das Ziel. Mit dem Kocher wird zum ersten Mal Wasser für “Instant Pasta Bolognese” gekocht. Nach dem händisch gesteuerten Schlangenlinienkurs vom Vormittag wird der Autopilot für die Rückfahrt angeschlossen und mit der Pinne verbunden. Das Dänische Telefonnetz heißt uns willkommen. Eine Ruderfreundin findet heraus, daß einige AIS-Aussendungen der “Southern Cross” unter “https://www.vesselfinder.com/de/?mmsi=211180570” gefunden werden können. Ich hatte schon befürchtet, daß der AIS Sender defekt sei. Das Wasser ist glatt und wir spüren eine leichte Dünung. Wenige Boote/Schiffe und die Deutsche Küste wie die Dänische Insel Aerö sind nur entfernt am Horizont zu sehen. Ein toller Moment!


Bei der Rückfahrt zeigt sich, daß der Autopilot eine sehr nützliche Einrichtung ist. Der Steuermann muß nicht die ganze Zeit in unbequemer Haltung den Kurs korrigieren sondern kann sich für einen Moment in der Kabine hinlegen oder die entfernte Küste mit dem Fernglas nach Landmarken absuchen. Ich frage mich, wie die Vorbesitzer der Southern Cross ohne Autopilot auf den langen Strecken einen geraden Kurs einhalten konnten.
Zweimal sehen wir Tümmler bevor wir nach etwa zwei Stunden Rudern wieder in die Schlei einfahren.Das Anlegen im Hafen verläuft etwas organisierter als beim ersten Mal. Der entscheidende Trick ist, daß einer der beiden Ruderer sehr früh im Hafen die Skulls aus den Dollen nimmt, den Peikhaken bereithält und dem anderen Ruderer nicht in die Quere kommt wenn es eng wird.
Mein technisches Fazit: AIS funktioniert, Autopilot funktioniert und ist sehr nützlich, Pasta Essen in der Pause funktioniert, irgendeine Unterstützung spontaner Kontaktaufnahme (QR-Code am Boot oder Visitenkarte) wäre praktisch, Rudern ist anstrengend, die Batterie hat an einem sonnigen Tag und ohne Nachtbetrieb durchgängig 99-100% Ladezustand, die Ruderpinne ist zu verbessern (Pinnenausleger), bessere Kenntnis auch schwacher aktueller Strömungen wäre gut, eine Überfahrt von Schleimünde nach Marstal bei westlichem Wind ist möglich.

Eine aufregende Sache: Ein so kleines Boot auf einem so großen Meer!

SC schwimmt wieder

Vor einem halben Jahr hatte ich Southern Cross nach Holzreparaturen und Neulackierung vom Bootsbauer zurückgeholt und gleich mit dem Wiederaufbau begonnen. Besonders der Aufbau der Elektrik mit den wasserdichten Kabeldurchführungen hat in den letzten Wochen mehr Zeit beansprucht als ich vermutet hatte. Am Wochenende war die Aufgabenliste endlich soweit abgearbeitet, daß das Boot für erste Testfahrten ins Wasser gesetzt werden konnte.Während mehrere Motorboot-Fahrschulen praktische Prüfungen für den Motorboot-Führschein abnehmen lassen (jede Menge uninteressiertes Publikum) wird Southern Cross mit Hilfe von zwei Freunden zwischen den Motorbooten an der Slipanlage Abbesbüttel in den Mittellandkanal geschoben.Wir rudern das Boot knappe zwei Kilometer zur Marina Abbesbüttel wo ich mir für eine Woche einen Liegeplatz reserviert habe. Mein erster Eindruck: die Rollsitze laufen schön ruhig (Kugellager und die harteloxierten Rollschienen haben sich gelohnt), die Skulls sind bei unbeladenem Boot immer noch zu hoch (trotz höherer Rollsitze, Distanzringe unter der Dolle entfernen), der Druck auf den Skulls ist zu gering (Hebelverhältnis ändern), in den Wellen eines überholenden Binnenschiffs rollt das Boot unerwartet stark (wird vermutlich mit gefülltem Ballasttank und Zuladung weniger).

An dem Steg in Abbesbüttel ist das Boot direkt dem Wellenschlag der vorbeifahrenden Binnenschiffe ausgesetzt.MD gelingt es, das Boot mit geschickt gelegten Festmachern und allen verfügbaren Fendern halbwegs sicher festzumachen. Ohne tägliche Kontrolle wird es wohl trotzdem nicht gehen.

Elbe 2020 / Übersicht

Diese Rudertour begann am 6. Juli in Schmilka bei Flusskilometer 4,6 direkt hinter der Tschechischen Grenze und endete am 16. Juli in Hamburg bei Flusskilometer 614,2. Übernachtet habe ich in (Radfahrer)-Pensionen, Jugendherbergen oder im Zelt. Das relativ hohe Gewicht des Bootes und der Ausrüstung war manchmal lästig und mir sind viele Dinge aufgefallen, die bis zu einer Tour auf der Donau zum Schwarzen Meer noch verbessert werden könnten. Spätestens seit dem Treffen und dem Austausch mit dem volans2-Ruderer hinter Wittenberge überlege ich wieder, ob die TID wegen der Streckenlängen der richtige Rahmen für eine Rudertour zum Schwarzen Meer ist.

Abschluss in Hamburg

Vorgestern hatte ich geplant in Dömitz zu übernachten, war in den kleinen Hafen gerudert, hatte ein paar notwendige Einkäufe erledigt und mich bei dem Hafenmeister des Motorboot Clubs wegen Übernachtungs-/Zeltmöglichkeit erkundigt. Das Gespräch begann damit, daß ich einen angebotenen Handschlag so höflich wie möglich ablehnte und anschließend erfuhr, daß es an den “Deutschen Genen” liege, daß wir in Deutschland derzeit relativ niedrige Corona-Infektionsraten haben. Irgendwie ratlos und angenervt fuhr ich zum gegenüberliegenden Ufer der Elbe um das Zelt aufzubauen.

Heute starte ich in Lauenburg zur letzten Etappe nach Hamburg. Hochwasser an der Schleuse Geesthacht ist um 15Uhr, etwa zwei Stunden vorher kann ich ohne Wartezeit direkt in die Schleuse einfahren und mitschleusen.Nach der Schleusung lege ich die Mittagspause ein und fahre mit ablaufendem Wasser weiter zur Süderelbe. Seit der Einmündung des Elbe-Seitenkanals treffe ich wieder auf mehr Binnenschiffe. Ich hatte sie die letzten 10 Tage schon vermisst.

Beim Ruderclub Süderelbe beim Flusskilometer 614,2 beende ich die Fahrt und hoffe die Unterelbe später – entweder in Begleitung oder in einem Mannschaftsboot – zu fahren. Etwas Kenntnis des Gewässers und jemand, der sich vollständig auf den Schiffsverkehr und das Gewässer konzentrieren kann, scheint sinnvoll zu sein.